Wieso Affen seltener Krebs bekommen als Menschen

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Stand: 20.07.2025 07:49 Uhr

Mensch-sein hat nicht nur Vorteile: Wir bekommen häufiger Krebs als zum Beispiel Schimpansen. Ein US-Forschungsteam hat jetzt einen Grund dafür gefunden – und den könnte man für zukünftige Krebstherapien nutzen.

Als Jogender Tushir-Singh das erste Mal von den Ergebnissen seines Mitarbeiters hörte, hielt er sie nicht für relevant. “Ich habe sie am Anfang ignoriert”, sagt er lachend. Aber dann, nach und nach, wurde ihm klar: “Es gibt ein durchgehendes Muster. Da steckt etwas hinter.”

Jogender Tushir-Singh ist Professor für Medizinische Mikrobiologie und Immunologie an der University of California in den USA. Sein Mitarbeiter hatte versucht, im Labor Tumorzellen mit einem bestimmten Protein zu töten – dem sogenannten FasLigand. Dieses Protein kann Zellen dazu bringen, sich selbst zu töten. Das ist wichtig für den richtigen Ablauf in der Embryonalentwicklung, aber wird auch vom Immunsystem genutzt, zum Beispiel bei der Bekämpfung von Krebszellen.

In dem Versuch in Tushir-Singhs Labor klappte das mit dem menschlichen FasLigand nur mäßig, viele Tumorzellen wurden nicht getötet. Mit dem FasLigand von Primaten wie Schimpansen aber funktionierte es viel besser. Die Vermutung: Hier könnte ein Schlüssel zur Frage liegen, weshalb Menschen häufiger an Krebs erkranken als ihre nächsten Verwandten.

Affen-Protein tötet Tumorzellen viel effektiver

“Ich fand das so interessant. Also haben wir es nochmal gemacht.” Tushir-Singh überprüfte die Sequenzen der Proteine noch einmal und wiederholte die Experimente persönlich am Wochenende.

Die Ergebnisse blieben gleich: Selbst die zehnfache Menge vom menschlichen FasLigand war bei weitem nicht so effektiv wie das vom Affen, wenn es darum ging, Tumorzellen zu töten. “Das hat uns wirklich die Augen geöffnet”, so Tushir-Singh. Denn die Analysen zeigten: Die Protein-Varianten von Mensch und Affe waren fast gleich.

“Der Unterschied beläuft sich auf nur eine einzige Aminosäure – aber die macht einen großen Unterschied für die Form des Proteins und damit dann auch für die Funktion”, sagt Ingo Schmitz, Professor für Molekulare Immunologie an der Ruhruniversität in Bochum. Er hat selbst das FasLigand-Protein erforscht, an der Studie von Jogi Singh war er jedoch nicht beteiligt. Die Ergebnisse, die die Gruppe aus den USA jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht hat, findet Schmitz erstaunlich. “Manchmal steckt der Teufel im Detail.”

Kleiner Unterschied – große Wirkung

Denn der FasLigand kann zerstört werden. Er selbst ist eine Art Waffe des Immunsystems. Das Immunsystem nutzt FasLiganden, um kranke Zellen wie Tumore zum Selbstmord zu bewegen.

Das nehmen die allerdings nicht einfach hin. Sie haben verschiedene Möglichkeiten, sich gegen das Immunsystem zur Wehr zu setzen. Vor allem solide Tumore wie zum Beispiel Eierstockkrebs setzen dabei auch auf den Einsatz von Schneide-Enzymen wie Plasmin. Diese Enzyme können FasLiganden zerschneiden und unschädlich machen. Beide Seiten, Immunsystem und Tumorzellen, haben also Angriffs- und Verteidigungsstrategien.

Affen-Protein wird nicht so leicht zerschnitten

Um FasLiganden unschädlich zu machen, zerschneiden die Plasmin-Enzyme sie an ganz bestimmten Stellen. Und der kleine Unterschied in der Aminosäuren-Kette des Proteins, den die Forschenden um Tushir-Singh gefunden haben, liegt ganz in der Nähe dieser Stellen.

Das war ein wichtiger Hinweis: “Wir haben daraufhin biochemische Versuche gemacht und herausgefunden, dass der FasLigand vom Affen nicht so anfällig dafür war, zerschnitten zu werden. Das passierte viel eher beim Menschen”, so der US-Forscher.

Das heißt: Solide Tumore können eine wichtige Waffe des menschlichen Immunsystems unschädlich machen – bei unseren nächsten Verwandten klappt das nicht.

Umweltfaktoren sind wichtig bei Krebs – aber nicht nur

Das könnte erklären, weshalb Primaten seltener so aggressive Tumore haben als Menschen – zumindest zu einem Teil, sagt Tushir-Singh: “Natürlich rauchen Affen nicht, sie essen nicht so ungesund wie wir.” Bei Tumorerkrankungen spielten der Lebensstil und Umweltfaktoren eine große Rolle. “Aber abgesehen davon, weiß man, dass es noch mehr Faktoren geben muss, weshalb unsere nächsten Verwandten offenbar resistenter gegen Tumore wie Eierstockkrebs sind.”

FasLiganden von Primaten können Tumore effektiver als das menschliche Gegenstück töten, weil sie nicht so anfällig für den Gegenangriff sind – dieses Wissen könnte man nutzen, um Krebstherapien zu verbessern.

Effektivere CAR-T-Therapien durch Affen-Proteine?

Da wären zum Beispiel CAR-T-Zellen. Das ist eine Zelltherapie, bei der genetisch veränderte Zellen des Immunsystems die Krebszellen zerstören sollen. Auch CAR-T-Zellen tragen FasLiganden, allerdings ist ihr Erfolg bei soliden Tumoren bisher noch begrenzt. Das könnte an dem Schneideenzym Plasmin liegen, das von soliden Tumoren viel produziert wird, so Tushir-Singh.

Für Ingo Schmitz von der Universität Bochum ist die robustere Version des Proteins der Affen eine Chance: “Ich denke, das ist ein interessanter Ansatzpunkt. Vielleicht könnte man das nutzen, um CAR-T-Zellen zu entwickeln, die aktiver sind und somit bestimmte Krebsarten besser behandeln könnten”, so der Biochemiker. Das müsse jetzt in weiteren Studien untersucht werden.

Die Forschenden um Jogi Singh vermuten, dass die menschliche, anfälligere Form vom FasLiganden dem Menschen irgendwann in der Evolution einen Vorteil gebracht hat. Zum Beispiel könnte es die Entwicklung von einem größeren, leistungsstärkeren Gehirn unterstützt haben. Das erhöhte Krebsrisiko sei dabei nur ein Nebenprodukt gewesen.