In der EU wächst die Sorge vor einem offenen Handelskonflikt mit den USA. Die Europäische Kommission geht offenbar nicht mehr davon aus, bis zur von US-Präsident Donald Trump ausgerufenen Frist am 1. August substanzielle Zugeständnisse im Zollstreit erreichen zu können. Trump dringe jetzt auf einen Basiszoll zwischen 15 und 20 Prozent, sagen Diplomaten. Zugleich könne er mit einem Scheitern der Verhandlungen offenkundig gut leben. EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič hatte am vergangenen Donnerstag in Washington mit den US-Unterhändlern gesprochen. Er hatte die Botschafter der Mitgliedstaaten am Freitag darüber informiert.
Wenig Hoffnung haben die EU-Unterhändler auch, die Zölle von 25 Prozent auf Autos und Autoteile sowie von 50 Prozent auf Stahl und Aluminium herunterhandeln zu können. Ebenso wenig sehen sie die Chance, neue Sonderzölle für neue Sektoren wie die Pharmabranche verhindern zu können. „Trump hat im Augenblick den Eindruck, unantastbar zu sein“, sagen Diplomaten. Die Finanzmärkte blieben ruhig, zugleich sprudelten die Zolleinnahmen. „Er handelt ganz wie in dem alten Schlager von Gitte, ‚Ich will alles und das sofort‘“, sagte der Vorsitzende des Handelsausschuss im Europäischen Parlament, Bernd Lange (SPD).
Trump hatte Anfang April einen Basiszoll von 20 Prozent auf die meisten EU-Einfuhren angekündigt. Vor etwas mehr als einer Woche hatte er der EU dann in einem Brief sogar mit Zöllen von 30 Prozent gedroht, wenn es bis August keinen Deal gebe. Die EU war davon überrascht worden. Sie war kurz zuvor noch davon ausgegangen, dass ein Deal in Reichweite sei, der zumindest den Basiszoll auf zehn Prozent senken würde. Das ist der Mindestsatz, den die USA seit April erheben. Er gilt momentan auch noch für die EU.
Merz drängt auf rasche Einigung
Ein Basiszoll zwischen 15 und 20 Prozent wäre für die EU ein enttäuschendes Ergebnis. Die Kommission hatte sich darauf verlassen, schon wegen des großen wirtschaftlichen Gewichts der EU einen guten Deal aushandeln zu können. Großbritannien hat mit Trump ein Abkommen ausgehandelt, das den Basiszollsatz auf zehn Prozent senkt und eine für das Land gute Quote für Autos enthält, die ebenfalls zu diesem niedrigeren Satz in die USA eingeführt werden können.
Die Auto-Zölle von 25 Prozent treffen vor allem Deutschland hart. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte deshalb mehrfach auf eine schnelle Einigung mit Trump gedrungen. Er hatte kurz vor dem Zollbrief auch noch einmal direkt Kontakt mit Trump aufgenommen. Auf dem Tisch lagen nach Informationen der F.A.Z. zuletzt offenbar zwei Varianten, um der Branche zu helfen: erstens der von BMW und Mercedes ins Spiel gebrachte Offset-Mechanismus. Der hätte die von europäischen Unternehmen in den USA produzierten und exportierten Autos mit der Einfuhr aus der EU verrechnet – wenn auch wohl nicht eins zu eins. Das sei für Trump allerdings auch viel zu kompliziert gewesen, heißt es.
Zollausnahmen „auf amerikanischer Seite eher kritisch gesehen“
Zweitens hat die EU angeboten, ihre Autozölle von momentan zehn Prozent auf null zu senken, wenn die USA ihre Zusatzzölle zumindest von 25 Prozent auf 15 Prozent senken. Ob der amerikanische Basiszoll von 2,5 Prozent auf Autos noch hinzugekommen wäre, ist unklar. Auch das habe Trump aber nicht gefallen, heißt es in Verhandlungskreisen. Bei ihm habe sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Streichung der EU-Zölle die Ausfuhr von Autos in die EU nicht bemerkenswert erhöhen werde. Er dringe deshalb umso mehr auf die Verlagerung der europäischen Produktion in die USA.
Merz hatte am Freitag in seiner Sommerpressekonferenz eingestanden, dass das Dringen auf Ausnahmen von den 25-Prozent-Zöllen für Autos erfolglos sein könnte. „Auf der europäischen Seite wird das befürwortet, auf der amerikanischen Seite eher kritisch gesehen“, sagte er.
Die entscheidende Frage ist nun, wie die EU sich verhält, wenn die Verhandlungen tatsächlich scheitern. Es liegt bisher ein Paket an Gegenzöllen vor, das Importe im Wert von 21 Milliarden Euro treffen würde. Dazu gehören Jeans und Motorräder. Ein zweites Paket ist in Vorbereitung. Es soll Waren im Wert von 72 Milliarden Euro treffen wie Flugzeugteile und Bourbon-Whiskey. Das ist verglichen mit den Waren von 380 Milliarden Euro, die die US-Zölle treffen, wenig. Dennoch rechnen Diplomaten damit, dass schon das Inkraftsetzen des ersten Pakets von Trump mit zusätzlichen Zöllen beantwortet würde und so eine Zollspirale auslösen könnte.
Gegenmaßnahmen in Vorbereitung
Die EU müsse Trump deshalb an anderer Stelle treffen, heißt es. Das zielt auf den Dienstleistungssektor. So könnte die EU eine Abgabe auf Digitalkonzerne und die Werbeeinnahmen im Internet erheben. Eine Liste mit solchen Gegenmaßnahmen ist nach Angaben von Diplomaten in Vorbereitung. Auch die Nutzung des Anti-Erpressungs-Instruments der EU wird inzwischen erwogen. Es erlaubt der EU, gegen Staaten vorzugehen, die Zölle und andere Handelsbeschränkungen einsetzen, um politisch Druck auszuüben. Die EU könnte im Gegenzug den Zugang zu öffentlichen Aufträgen oder die Rechte an geistigem Eigentum einschränken.
Für weitergehende Schritte benötige die EU aber ein klares Mandat der Mitgliedstaaten, sagen Diplomaten. Hier gebe es momentan zwei Pole: Frankreich, das auf harte Schritte dringe, und Italien, das weiterhin extrem zurückhaltend sei. Deshalb hänge am Ende alles daran, wie sich Deutschland positioniere.