Warum Populisten Politik gegen das Volk machen

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Donald Trump ist die Verkörperung des Populisten schlechthin. Er hetzt gegen Eliten, verbreitet „alternative Fakten“ und wettert gegen kritische Medien. Sich selbst vermarktet er als Stimme des Volkes oder genauer, als Anwalt der kleinen Leute. Er sei stolz, der Präsident zu sein, der sich für die „Main Street“ einsetzt, nicht für die „Wall Street“, der für Arbeiter da ist, nicht für die Ausbeuter, der die Mittelschicht schützt, nicht die politische Klasse.

Aber handelt er auch nach dieser Maxime? Das Steuergesetz, das Trump am amerikanischen Nationalfeiertag unterzeichnet hat, bringt den Ärmeren nichts. Im Gegenteil. Die unteren 40 Prozent der Einkommensbezieher verlieren bis zu 1500 Dollar im Jahr, haben Forscher errechnet. Großverdiener kassieren deutlich mehr. Dasselbe gilt für die von Trump eingesetzten und angedrohten Zölle. Sie treiben allen Prognosen zufolge die Inflation nach oben und machen damit das Leben vor allem für einfache Leute teurer. Die müssen nämlich einen besonders großen Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel und sonstigen Konsum ausgeben.

Trumps Steuer- und Zollpolitik ist eiskaltes Kalkül

Unter normalen Umständen wäre diese Wirtschaftspolitik politischer Selbstmord. Und auch für Trump-Verhältnisse ist es rätselhaft, warum der Anti-Elite-Präsident Politik gegen die Interessen der eigenen Wähler macht – und dafür auch noch geliebt wird. Eine Studie, die im Topjournal „American Economic Review“ erscheinen wird, entschlüsselt nun diese scheinbare Widersprüchlichkeit. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass populistische Politiker ihre Macht zementieren, wenn sie ihre Wähler leiden lassen. Trumps Steuer- und Zollpolitik ist demnach weder dumm noch ein Geschenk an seine superreichen Unterstützer, sondern eiskaltes Kalkül.

Verstehen lässt sich das nur, wenn man tiefer in die Natur des Populismus einsteigt. Die Autoren der Studie, Adam Szeidl (CEU Wien) und Ferenc Szucs (Stockholm University), sehen den Kern des Populismus in der Verbreitung einer falschen, verschwörungstheoretischen Erzählung. Sie dreht sich darum, dass die intellektuelle Elite aus rein ideologischen Gründen gegen die Populisten konspiriert. Die Wissenschaft, die Medien, die anderen Politiker – sie alle werden zu einer verschworenen Einheit erklärt, die eigennützig und abgestimmt gegen das Volk und die Populisten arbeitet.

Verlockend ist die Erzählung für die Wähler, weil sie einfache Erklärungen und emotionale Botschaften liefert: In Ungarn schürt Viktor Orbán den Irrglauben, alles Schlechte komme wahlweise von der EU oder einem Netzwerk des Milliardärs George Soros. AfD-Politiker Björn Höcke sieht ein „Altparteienkartell“ am Werk, das am „Niedergang Deutschlands“ arbeite. Und Trump verbreitet bis heute die Lüge, der Wahlsieg 2020 sei ihm gestohlen worden. Er fabuliert von einem „Deep State“, der gegen die Bürger agiere. „Entweder zerstört der Deep State Amerika, oder wir zerstören den Deep State“, sagt Trump.

Widerspruch scheint fast zwecklos

Das Perfide daran: Wenn erst einmal genügend Wähler solchen Verschwörungserzählungen glauben, scheint Widerspruch fast zwecklos. Die Ökonomen Szeidl und Szucs zeigen das in einem komplexen mathematischen Modell, in das sie viele Annahmen über die Überzeugungen von Wählern, den Erfolg von Propaganda und das Verhalten von Eliten einbauen. Die Quintessenz: Berechtigte Kritik aus Wissenschaft und Medien läuft in diesem Szenario ins Leere. Sie verstärkt sogar noch die Überzeugung der Wähler, dass da feindliche Kräfte aus ideologischen Motiven am Werk sind, frei nach dem Motto: Seht her, die Elite greift uns an, das beweist, dass wir recht haben!

Dazu passt, dass all jene, die in Amerika populistische Positionen kritisieren, von Trump und seinen Anhängern automatisch zum Kreis der elitären Verschwörer gezählt werden. Unter diesen Voraussetzungen sei es nicht einmal notwendig, Medien und Wissenschaftler zu drangsalieren. Sie werden vielmehr zum Instrument der populistischen Erzählung.

Aber warum enttarnen die schädlichen Steuergesetze und Zölle den faulen Zauber nicht? Der Schlüssel dafür ist das, was die beiden Ökonomen als „reduzierte Rechenschaftspflichten“ bezeichnen. Den mächtigen populistischen Politikern gelinge es, bei genügend Wählern den Eindruck zu vermitteln, dass sie gar nicht wirklich das Sagen haben. Obwohl sie Teil der Regierung oder sogar Präsident sind, inszenierten sie sich weiter als Kämpfer gegen das System aus Bürokraten, Richtern und Medien. In der Praxis heißt das: Wenn die Wähler am Ende weniger Geld in der Tasche haben, ist das nicht die Schuld von Trump, sondern von bösen Mächten und ausbeuterischen Handelspartnern. Für Erfolge lassen sie sich feiern, Misserfolge sind der Beweis für die Verschwörung. Wer so denkt, hat für alles eine Erklärung und für nichts Verantwortung. Der Einzige, der das Volk vor den Feinden retten kann? Ist der Populist.

Gibt es einen Ausweg aus dem Teufelskreis?

Dass an dieser Dynamik aus Verschlechterungen für die Bürger und Machterhalt für Populisten etwas dran ist, legen Forschungsergebnisse von Ökonomen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft nahe. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf sinkt in Ländern, die von Populisten regiert werden, demnach im Schnitt spürbar – dennoch bleiben populistische Politiker doppelt so lange an der Macht wie Nichtpopulisten.

Wer die Studie der beiden Politökonomen liest, dem drängt sich die Frage auf, was der Ausweg aus dem Teufelskreis sein kann. Was tun, wenn Kritik den Populisten nur stärker macht und selbst Wohlstandseinbußen deren Macht verstärken? Die Forscher lösen diese Frage nicht auf. Sie beschreiben in ihrem Modell zwar Szenarien, in denen Propaganda weniger wirkt und Populisten als inkompetent wahrgenommen werden. Sie liefern aber keine Rezepte dafür.

Zwei Dinge drängen sich aber auf. Erstens ist es falsch, sich über die vermeintliche wirtschaftspolitische Unfähigkeit von Trump und Co. zu ereifern. Denn hinter deren Maßnahmen steht ein rationales Machtkalkül, das offenbar bestens funktioniert. Diese Machtlogik nüchtern zu entblößen, scheint erfolgversprechender als emotionalisierte Gegenangriffe zu starten. Zweitens, und das zeigen weitere Studien: Nichtpopulisten sollten untereinander weiter intensiv über Wirtschaftspolitik streiten. So wird sichtbar, dass sie keine uniforme, verschworene Elite bilden. Das schwächt die Erzählung der Populisten und ihren Zuspruch bei den Wählern.

Adam Szeidl, Ferenc Szucs: A Model of Populism as a Conspiracy Theory; American Economic Review, Forthcoming

Manuel Funke, Moritz Schularick, Christoph Trebesch: Populist Leaders and the Economy; American Economic Review, 2023