Christoph Möllers wird Rektor des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Der Staatsrechtslehrer, der seit 2009 einen Lehrstuhl an der Humboldt-Universität zu Berlin bekleidet, wird am 1. September 2026 die Nachfolge der Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger antreten, die das Wissenschaftskolleg seit 2018 leitete und am 17. Juli ihren siebzigsten Geburtstag beging.
Das Wissenschaftskolleg wurde 1981 als deutsches Pendant zum Institute for Advanced Study in Princeton gegründet und beruft jedes Jahr bis zu vierzig Fellows, die ihre Forschungen ein Jahr lang in einem abgeschiedenen Gemeinschaftsleben vorantreiben dürfen, dessen Infrastruktur eine Reihe von Grunewald-Villen bereitstellt. Neben Sozial- und Kulturwissenschaftlern werden auch Naturwissenschaftler sowie Künstler eingeladen. Es werden auch Permanent Fellows ernannt; anders als in Princeton bestehen allerdings keine Fakultäten mit Professuren für klassische Fächer.
Staat als Argument
Christoph Möllers wurde 1969 in Bochum geboren, studierte in Tübingen und München, wurde 1999 in München promoviert und habilitierte sich 2004 in Heidelberg. Schon in seiner Doktorarbeit mit dem markanten Titel „Staat als Argument“ trat seine Begabung für die begriffliche Zerlegung praktischer Fragen oder die praktische Fassung begrifflicher Probleme hervor. Sein von Suhrkamp verlegtes Buch „Die Möglichkeit der Normen“ machte ein Unbehagen produktiv, das er gegenüber dem (im logischen wie im sozialen Sinne) zirkulären Charakter der juristischen Methodendebatte verspürt. Der besondere Charakter normativer Verbindlichkeit liegt für ihn nicht darin, dass Geltungsfragen von der Rücksicht auf Durchsetzungschancen entbinden würden. Dieser praktische Sinn machte ihn zum gefragten Prozessvertreter vor dem Bundesverfassungsgericht.
Seine neueren Studien zum Thema seiner Habilitationsschrift, der „Gewaltengliederung“ (im Unterschied zur starren, rein beschränkend gedachten Gewaltenteilung), sind soeben als Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft mit dem Titel „Demokratie und Gewaltengliederung“ erschienen. Im Nachwort äußert sich Möllers pointiert zur gegenwärtigen globalen Lage der Verfassungsstaaten.
Sein mit dem Tractatus-Preis ausgezeichnetes, in der Edition Suhrkamp erschienenes Buch „Freiheitsgrade. Elemente einer liberalen politischen Mechanik“ bietet Theorie in Gestalt von Aphorismen. Diese literarische Form ist das Gegenteil von Spielerei: Bei einer Theorie der Hebelwirkungen und springenden Punkte zeigt sich im Gedrängten und Zugespitzten die Hinwendung zur Praxis.

Wo Möllers mitredet oder mitschreibt, ist Interdisziplinarität kein leerer Wahn. Seine intensive Beschäftigung mit der Kunstfreiheit schlug sich in Gutachten für Kulturstaatsministerin Claudia Roth und zuletzt in einem vielbeachteten, in der F.A.Z. publizierten Appell an die deutschen Museumsdirektoren nieder, ihre Rolle politischer zu verstehen. Die Möglichkeit der Normen interessiert Möllers auch in der Variante des Kanonischen. Unbegrenzt ist seine Neugier auf die Gegenwartskünste, ausgenommen allerdings eine klassische Sparte: Um Christoph Möllers gelangweilt zu erleben, müsste man ihm im Theater begegnen, das er aus Furcht vor Zeitverschwendung nicht aufsucht.
Als Göttinger Professor verbrachte Möllers das Fellowjahr 2006/07 im Wissenschaftskolleg; 2012 wurde er zum Permanent Fellow ernannt. Er hat die Gesprächskultur am Kolleg mitgeprägt; seine Wahl durch die Mitgliederversammlung des Wissenschaftskollegs, die von den Präsidenten der Berliner Universitäten und der nationalen Wissenschaftsinstitutionen gebildet wird, ist eine Entscheidung für fortgesetzte geistige Unruhe und gegen Disruption. Möllers war der juristische Berater der maßgeblich von der bisherigen Rektorin Barbara Stollberg-Rilinger betriebenen Initiative GG 5.3 Weltoffenheit, mit der öffentliche Kulturinstitutionen 2020 ihre Skepsis gegenüber der Anti-BDS-Resolution des Bundestags artikulierten.
Die Rektoren des Wissenschaftskollegs vor Stollberg-Rilinger waren allesamt Männer: der Germanist Peter Wapnewski (bis 1986), der Soziologe Wolf Lepenies (bis 2001), der Staatsrechtler Dieter Grimm (bis 2007) und der Archäologe Luca Giuliani (bis 2018).