Familie Ambani: Wie geht es mit Indiens Superreichen weiter?

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Liebe hat in den Sendungen von CNBC-TV18 für gewöhnlich keinen Platz. Der indische Börsensender aus Mumbai berichtet vorzugsweise über jedes noch so kleine Detail im Auf und Ab der Aktienkurse, die auf dem südasiatischen Subkontinent derzeit nicht recht steigen mögen. In der Sondersendung zum ersten Jahrestag der Hochzeit von Anant Ambani ging es am Wochenende hingegen fast lyrisch zu. In Indien wurde schon früher über den Sohn von Indiens reichstem Mann Mukesh Ambani berichtet – wie nach dem Besuch eines Einkaufszentrums in Dubai, vor dem Anant im orangefarbenen Rolls-Royce-SUV vorgefahren kam und ihm 20 Begleitfahrzeuge mit Sicherheitspersonal folgten. Seit er im Juli 2024 in einer sechs Tage dauernden Feier in der familieneigenen Ausstellungshalle in Indiens Wirtschaftshauptstadt seine langjährige Freundin Radhika Merchant geehelicht hat, hat Anant es in die Schlagzeilen auf der ganzen Welt geschafft.

Inklusive des vorangegangen Polterabends in Indiens Westen, bei dem die US-Sängerin Rihanna vor den Gästen Mark Zuckerberg und Bill Gates auftrat, werden die Kosten für die Hochzeit auf bis zu eine Milliarde Dollar geschätzt. Der Vater, dessen Vermögen auf 108 Milliarden Dollar geschätzt wird, habe das Geld gut angelegt, befand CNBC-TV18: Das Spektakel habe „die Nation gefesselt“ und die „Aufmerksamkeit der Welt“ erhalten, die „gebannt zusah, wie sich eine Liebesgeschichte in ungesehenem Ausmaß entfaltete“.

Er liebt Wildtiere und Luxusautos

Die Überschwänglichkeit sei dem Sender verziehen, zählt er doch den Vater des Bräutigams zu seinen Eigentümern. Das Medienkonglomerat Network18, das die Börsennachrichten betreibt, gehört anteilig Reliance, dem größten indischen Unternehmen nach Marktkapitalisierung. Mukesh Ambani und Familie halten mit knapp mehr als 50 Prozent die Mehrheit. Erstaunlicher ist, dass auch der führenden indischen Wirtschaftszeitung „Economic Times“ zur Papierhochzeit des Filius als Erstes einfiel, das ein Jahr zurückliegende Fest stelle „einen Meilenstein in der Kulturgeschichte Indiens“ dar. Schließlich ist aus Anlegersicht eine andere Frage drängender: Hat Anant, der seit seiner Vermählung vor allem mit seiner Zuneigung zu bedrohten Wildtieren und luxuriösen Autos aufgefallen ist, das Zeug, als Thronfolger den Konzern mit 120 Milliarden Dollar Umsatz und 350.000 Angestellten in die Zukunft zu führen oder nicht? Diese Frage dürfte auch den deutschen Allianz-Konzern interessieren, der am Wochenende verkündet hat, in einem Gemeinschaftsunterneh­men mit einer Tochtergesellschaft von ­Re­liance im 1,4 Milliarden Einwohner zählenden Indien Versicherungen verkaufen zu wollen.

Mukesh Ambaniund Radhika Merchant bei ihrer Hochzeit in Mumbai
Mukesh Ambaniund Radhika Merchant bei ihrer Hochzeit in MumbaiReuters

Dass nicht nur Indiens Wirtschaftswelt seit geraumer Zeit darüber grübelt, ob der Nachwuchs von Indiens bedeutendster Unternehmerfamilie auch Geld einnehmen kann, anstatt es nur auszugeben, liegt am Alter des Patriarchen: 68 Jahre ist Mukesh Ambani alt. Seit 2002 steht er an der Spitze des Konzerns, den einst seit Vater als kleines Handelshaus für Garn, Gewürze und Polyester gegründet hat. Dass sein Sohn, der den späteren Ölgiganten ­Reliance ins Mediengeschäft führte und das Unternehmen auf dem Mobilfunkmarkt zum wichtigsten Anbieter Indiens machte, bald abtreten will, dafür gibt es keine Hinweise. Doch dass die Nachfolge frühzeitig geordnet gehört, weiß niemand besser als der derzeitige Statthalter selbst.

Polterabend mit Rihanna: Die Kosten für die Hochzeit werden auf bis zu eine Milliarde Dollar geschätzt.
Polterabend mit Rihanna: Die Kosten für die Hochzeit werden auf bis zu eine Milliarde Dollar geschätzt.Reuters

Der Hass zwischen den Brüdern

Viel spricht dafür, dass der Re­liance-Chef seit dem Tod des Vaters 2002 mit seinem Bruder Anil nicht viele Worte gewechselt hat. Durch die Berichte von Freunden und Geschäftspartnern wohl dokumentiert ist der Hass, der sich zwischen den Brüdern im Kampf um die Kontrolle über das väterliche Unternehmen entlud. In der Annahme, der damals 45 Jahre alte Mukesh und der zwei Jahre jüngere Anil würden nach seinem Ableben Reliance gemeinsam führen, hatte der Gründer kein Testament hinterlassen. Doch dass sie höchst unterschiedliche Charaktere waren – introvertiert und seriös der Ältere, risikofreudig und extravagant der Jüngere –, sollte sich nach dem Tod des Vaters als unüberbrückbares Hindernis für die weitere Zusammenarbeit herausstellen. Dabei lebten die Brüder sogar im selben Gebäude, dem familieneigenen 14 Stockwerke hohen Turm namens „Sea Wind“ mit Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach. Jahrelang sollen Mukesh und Anil sichergestellt haben, einander nicht zu begegnen, bevor der eine nach Hause kam oder der andere das Haus verließ. 2005 wurde Reliance schließlich aufgespalten und unter den Brüdern aufgeteilt.

Posieren am Tag der Hochzeit von Akash Ambani fürs Familienalbum: Mukesh Ambani, seine Frau Nita, Bräutigam Akash and Tochter Isha Piramal im Jahr 2019
Posieren am Tag der Hochzeit von Akash Ambani fürs Familienalbum: Mukesh Ambani, seine Frau Nita, Bräutigam Akash and Tochter Isha Piramal im Jahr 2019Reuters

Auch Anant, der heute 30 Jahre alte Sohn von Mukesh Ambani, hat Geschwister: den drei Jahre älteren Akash und dessen Zwillingsschwester Isha. Seit Herbst 2023 sitzen alle drei im Vorstand von Reliance. Doch nur Anant erhielt im Mai, kurz vor dem Jahrestag seiner pompösen Hochzeit, den Titel eines „Executives“, der tatsächlich tägliche Führungsaufgaben im Geschäft übernimmt. In seinem Fall: den Vorstoß des Unternehmens, das mit fossilen Energien groß geworden ist, in das Geschäft mit erneuerbaren Energien, in dem Reliance in Indien bisher keine große Nummer ist. Während die Raffinerien im laufenden Jahr über die Hälfte des Umsatzes von geschätzt 125 Milliarden Dollar ausmachen dürften, stellen Wind- und Solarkraft nur einen kleinen Anteil im einstelligen Prozentbereich.

Auf dem Weg zum grünen Energiekonzern

Doch das soll sich ändern. Bis 2035 will der Konzern Klimaneutralität erreichen, 35 Jahre vor der Zielmarke, die die Regierung in Neu Delhi für das gesamte Land ausgegeben hat. Bis 2030 soll die Kapazität der Erneuerbaren 100 Gigawatt betragen, was Reliance zum größten grünen Energiekonzern auf dem Subkontinent machen würde. Bisher allerdings gehört er zu dessen größten Emittenten. Die Raffinerie in Jamnagar im Bundesstaat Gujarat, die Mukesh Ambani in den Neunzigerjahren bauen ließ, ist die größte der Welt – und mit einem Ausstoß von 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr auch mit Abstand die schmutzigste.

Die Gästeliste war hochkarätig: Tony Blair mit seiner Frau Cherie bei der Hochzeit von Anant Ambani und Radhika Merchant
Die Gästeliste war hochkarätig: Tony Blair mit seiner Frau Cherie bei der Hochzeit von Anant Ambani und Radhika MerchantAFP

In Jamnagar, wo Anants Mutter geboren wurde und der Sohn vor seiner Hochzeit im März 2024 neben vielen anderen Stars auch die US-Präsidententochter Ivanka Trump empfing, steht der Zoo Vantara. Auf einem zwölf Quadratkilometer großen Gelände hält Anant 150.000 Tiere, darunter Elefanten, Nashörner, Leoparden und Krokodile. Eigentlich soll Vantara als Schutzstätte für kranke, verfolgte und vom Aussterben bedrohte Lebewesen dienen. Besucht werden dürfen sie von der Öffentlichkeit nicht, nur die Hochzeitsgesellschaft erhielt eine Führung. Der Privatzoo sei sein Versuch, „der Gesellschaft etwas zurückzugeben“, sagte Anant. Doch weil fast ein Drittel der Tiere aus dem Ausland importiert wurden, sieht sich Vantara seit eineinhalb Jahren massiven Vorwürfen ausgesetzt, den illegalen Handel mit Wildtieren anzuheizen. Der Zoo hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Verschiedene indische Zeitungen haben ihre Berichte über die Anschuldigungen inzwischen gelöscht, dem Vernehmen nach zuweilen auf Druck von Anwaltskanzleien.

In zwei Jahren das Gewicht halbiert

Beobachter sagen, dass die geschäftlichen Verantwortlichkeiten der Ambani-Kinder begrenzt seien – damit sie nichts kaputtmachen könnten. Mutter Nita Ambani hat im Frühjahr verraten, dass sich die drei ihre jeweiligen Rollen nach ihren Interessen selbst ausgesucht hätten: „Ich habe nicht entschieden, sie haben.“ Akash, der ein Faible für Technologie hat, ist in der Führung der Telekom-Sparte von Reliance. Zwillingsschwester Isha hat sich einen Platz im Einzelhandelsgeschäft und der Stiftung des Konzerns ausgesucht.

Studiert hat Anant Ambani wie sein Bruder an der amerikanischen Brown University, die zu den renommiertesten Hochschulen der USA zählt. Von seiner Zeit an Amerikas Ostküste ist vor allem bekannt, dass sie Anant dabei geholfen habe, mit gesundheitlichen Problemen umzugehen. Weil er den Appetit anregende Medikamente zur Bekämpfung seines Asthmas genommen haben soll, wog er zwischenzeitlich mehr als 200 Kilogramm. Mit einem Startrainer schaffte Anant es, in zwei Jahren sein Gewicht zu halbieren. Mit dem Beginn der Pandemie legte er wieder viele der zuvor verlorenen Kilos zu.

Als Anant vor zwei Jahren in den Reliance-Vorstand berufen wurde, gab es von einer Aktionärsvereinigung Widerstand gegen den Achtundzwanzigjährigen. Davon ist bei seiner neuen Rolle nichts bekannt, auch wenn die Zustimmung der Personalie durch die Aktionäre noch aussteht. Sicher ist, dass Mukesh Ambani die Latte für seine Nachfolge hoch gehängt hat. Sein Vater habe ihm einst gesagt, dass Reliance eine „Institution“ sei, hat der Patriarch jüngst in einem Interview verraten. Der Sohn müsse sicherstellen, dass diese überlebt. 2027 feiere der Konzern sein fünfzigjähriges Bestehen. Er wünsche sich, dass Reliance auch nach 100 Jahren immer noch „Indien und der Menschheit dient“. Er sei zuversichtlich, sagte Ambani. Nur mit wem an der Spitze das Ziel erreicht werden soll, das verriet er nicht.