“Gejagt, gefragt” – und ein Wels als Star

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Der Eklat um Alice Weidel und das “Sommerinterview” im Ersten zeigt: Es muss sich etwas ändern. Die ARD hat eine einmalige Chance: mit dem “Wels zum Sonntag”.

Eine Glosse von Steven Sowa

Die Augen weit aufgerissen, mit bebendem Bart, setzt er zur Antwort an: “Wels eine Frechheit, Herr Preiß!”, blubbert es aus dem Interviewgast im Ersten heraus. Da schaut der sonst so souveräne und mit allen Wassern gewaschene ARD-Journalist Markus Preiß verdutzt. In seinen ungläubigen Augen steht die Frage geschrieben: “Hat er das gerade wirklich gesagt?”

Preiß scheint im Angesicht des “Welserklärers” ins Schwimmen zu geraten. Der Wels kann sagen, was er will: Jede noch so inhaltsarme Antwort schlägt Wellen. Eine Parallele zur Vorwoche, denn auch da ging es nur um das Getöse drumherum und nicht um Botschaften oder, Gott bewahre, politische Inhalte.

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Nach “Ein Fisch namens Weidel”, dem Film, der am vergangenen Sonntag im Ersten zu tagelangen Diskussionen über die Pflichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Demonstrationsrechte und AfD-Privilegien geführt hat, steht nun der nächste Höhepunkt der Sommerloch-Unterhaltung an: “Welscome aus der Spree”.

Der Sender hat sich die Kritik zu Herzen genommen. Statt die luftige, von allen Seiten gut einsehbare Terrasse des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses unweit des Reichstagsgebäudes zu nutzen, zog die ARD eine Etage tiefer: direkt in die Spree. Ein Unterwasserstudio bietet den Vorteil, etwaigen Demonstrationslärm an der Oberfläche auszublenden. Unten lässt es sich feucht-fröhlich losblubbern – allen Störenfrieden da oben und den Stören hier unten zum Trotz.

Mit dem Wels ist dem ARD-Hauptstadtstudio ein Coup gelungen. Ähnlich wie Weidel kommt auch er aalglatt daher und weicht Fragen aus, als wären sie unliebsame Parasiten im “Sammelbecken Demokratie” auf dem Weg zur Abschaffung ebendieser. Ködern lässt sich auch der Wels nicht so einfach. Er setzt wie Weidel auf die plumpe wie wirkungsvolle Methode: “Flooding the zone with shit”. Frei übersetzt also: “Defäkiere in die Spree und schon gibts nichts zu sehen”.

Alice Weidel und Markus Preiß: Das Gespräch der beiden war zeitweise kaum zu verstehen.Vergrößern des Bildes
Da muss auch Alice Weidel lachen: Markus Preiß ohne Neoprenanzug. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur)

Die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt trifft mit der Auswahl den Zeitgeist: wenig Substanz, aber gut für eine Schlagzeile. Kaum ein Beobachter hatte der ARD nach dem Wirbel um das Weidel-Interview zugetraut, solch einen dicken Fisch an Land zu ziehen. Doch mit dem Killer aus der Tiefe hält der Sender nun der Republik den “Welsspiegel” vor – welch pfiffige Pointe.

Tiefsinniger als sein Vorgängerformat, gegen den Strom gepolt und nassforsch inszeniert: Die “Umwelsung” der ARD sitzt, wackelt und hat Luft – mit Kiemen so groß wie der Lärm um die Weidel-Inszenierung. Die ARD hat einen Räuber mit Überlänge und Quotengarantie an der Angel. Ein echtes Schwergewicht.

Und welch ein Anblick in der Saure-Gurken-Zeit: ein ARD-Journalist mit einem Jahrhundertinterview und der legitimen Fortsetzung von We(l)s Andersons “Die Tiefseetaucher”, der seinen Interviewgast nach allen Regeln der Kunst filetiert. Kein Gekuschel, kein Anbiedern: Haha-Hehe, die Fragen aus der Spree? Nein, Markus Preiß bleibt eisern und hakt hartnäckig nach, wenn ihm der Wels mit seinen Ausflüchten aus den Händen zu gleiten droht.

Am Ende bleibt nur ein Rätsel ungelöst: Warum reibt sich Markus Preiß die Nase? Ist es der beißende Fischgeruch? Oder steigt ihm der Erfolgsmoment, nach Alice Weidels schwammiger Rhetorik nun endlich ein Gegenüber mit wasserdichtem Auftreten gewonnen zu haben, zu Kopf? Vielleicht kribbelt ihn aber auch einfach der Gedanke, dass er nun endgültig zu tief ins Sommerloch abgetaucht ist.

Wir werden sehen. Womöglich erfahren wir es aber auch bald im Nachfolgeformat: in den neuen Lach- und Sachgeschichten von “Die Sendung mit dem Wels”.