Vielleicht geht für Veit Salzmann eines Tages doch noch ein Traum in Erfüllung: Dass S-Bahn-Linien im Rhein-Main-Gebiet, Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs in der Region, von der Hessischen Landesbahn bedient werden. Und damit nicht mehr von der Deutschen Bahn, die bei der ersten Ausschreibung des Streckennetzes im Jahr 2011 alle Linien gewonnen hatte. Die Hessische Landesbahn, an deren Spitze Salzmann seit 2009 steht, hatte sich gemeinsam mit einer Beteiligungsgesellschaft ohnedies nur für den Betrieb auf einem Teil des S-Bahn-Netzes beworben, war jedoch der großen Konkurrenz unterlegen.
Demnächst bekommt die Hessische Landesbahn jedoch eine zweite Chance. Denn für die S-Bahn-Linien 2 bis 6 hat der Rhein-Main-Verkehrsverbund die Deutsche-Bahn-Tochtergesellschaft DB-Regio nur bis 2029 beauftragt. Vorher muss es also eine abermalige Ausschreibung geben, und Salzmann überlegt, ob sich das von ihm geführte Unternehmen abermals bewirbt.
S-Bahnen mit dem Logo der Hessischen Landesbahn wären die Krönung eines langen Weges des Konzerns, dessen Gründung in diesem Jahr sieben Jahrzehnte zurückreicht. Als die Hessische Landesbahn am 23. Juni 1955 ins Handelsregister eingetragen wurde, wird niemand geahnt haben, dass sie dereinst 1700 Mitarbeiter haben würde, dass ihre 188 Schienenfahrzeuge 19 Millionen Kilometer im Jahr zurücklegen würden.
Anfänge waren wenig glanzvoll
Im Wachstumskurs des Konzerns, der zu 100 Prozent dem Land Hessen gehört, spiegelt sich die Renaissance der Eisenbahn, die längst zu vollen Zügen und überlasteten Strecken geführt hat. So war es in den Anfängen überhaupt nicht. In den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann vielmehr der Jahrzehnte währende Abstieg der Schiene, weil die Fahrgäste zuerst auf das Moped, dann auf das Motorrad und schließlich auf das Auto umstiegen. Zudem erschienen die Omnibusse als Alternative, die die verbliebene Kundschaft billiger transportieren konnten, weil sie die Straßen mitbenutzten und so die Unterhaltung von Gleistrassen entfiel.
Die Anfänge der Landesbahn waren daher auch wenig glanzvoll. Das Land Hessen hatte 1953 zwei Eisenbahnbetriebe gekauft, die Reinheim – Reichelsberger Eisenbahn im Odenwald und die Biebertalbahn, im Volksmund Bieberlies, die von Gießen nach Bieber führte. Zwei Jahre später fasste sie diese in dem neu gegründeten Unternehmen zusammen, doch wurde der Schienenverkehr auf der erstgenannten Strecke 1964, auf der zweiten schon im Jahr zuvor eingestellt. Erst 1966 sollte die Hessische Landesbahn an Bedeutung gewinnen. Damals übertrug das Land seine 1953 erworbenen Beteiligungen an den Kleinbahnen Frankfurt – Königstein und Kassel – Naumburg an die Gesellschaft, 1971 auch die an der Butzbach – Licher Eisenbahn.

Es sollte jedoch bis in die achtziger und neunziger Jahre dauern, bis aus einer reinen Holding-Gesellschaft ein Eisenbahn-Unternehmen mit eigenen Fahrzeugen und eigenem Personal wurde. Richtig Aufschwung nahm die Landesbahn erst mit dem Beginn der Ausschreibungen des regionalen Schienenverkehrs, bei denen sich der inzwischen aus verschiedenen Unternehmen bestehende Konzern wiederholt gegen die Deutsche Bahn durchsetzte.
So wurden aus den gut drei Millionen Kilometern, die die Züge der Landesbahn im Jahr 2004 zurückgelegt hatten, binnen zwei Jahrzehnten die erwähnten 19 Millionen, wozu auch Beteiligungsgesellschaften in Nordhessen und Thüringen beitrugen. Züge der Landesbahn verkehren heute zwischen Frankfurt und Gießen, zwischen Mainz und Aschaffenburg, zwischen Limburg und Wiesbaden und auf vielen weiteren Strecken. Ausgerechnet auf ihrer Stammstrecke von Frankfurt nach Königstein hingegen nicht mehr: den Betrieb dort hat die Deutsche Bahn in der Ausschreibung gewonnen. Gleise und Stationen gehören immerhin weiterhin der Landesbahn.
Neues Geschäftsfeld erschließen
Letztlich treten bei den regelmäßigen Ausschreibungen des Eisenbahnbetriebs durch den Rhein-Main-Verkehrsverbund mit der Deutschen Bahn und der Hessischen Landesbahn zwei Konzerne in Staatsbesitz gegeneinander an. Anders ist das beim Unternehmen Vias, das ebenfalls Eisenbahnstrecken in Südhessen betreibt, etwa die Odenwaldbahn und den Verkehr auf der rechten Rheinstrecke. Hinter der Vias stand auch einmal die öffentliche Hand, inzwischen gehört sie jedoch der Rath-Gruppe in Düren zwischen Aachen und Köln und damit einem Familienunternehmen.

Das Unternehmen Vlexx wiederum, unterwegs zwischen Frankfurt und Mainz, auf der linken Rheinstrecke und vielen weiteren Verbindungen in Rheinland-Pfalz, zählt zu den italienischen Staatsbahnen Trenitalia. Der Wettbewerb hat trotzdem einen Sinn, weil sich die Betriebe bemühen müssen, kostensparend zu arbeiten. Salzmann ist denn auch stolz, dass sein Konzern trotz des wiederholten Gewinns solcher Ausschreibungen regelhaft eine Million Euro im Jahr als Gewinn an das Land Hessen abführen kann.
Das größte Projekt der Hessischen Landesbahn ist gegenwärtig der Bau einer Werkstatt in Butzbach, die 110 Millionen Euro kosten wird und in der vom nächsten Jahr an 85 Mitarbeiter Schienenfahrzeuge warten und reparieren sollen. Nicht nur die der Landesbahn selbst, sondern von 2027 an auch die anderer Eisenbahnen. So möchte sich der Konzern ein neues Geschäftsfeld erschließen, schließlich fehlt es in Hessen an Werkstatt-Kapazitäten für Schienenfahrzeuge, wie Salzmann sagt. Der Wachstumskurs des Unternehmens, das einmal in schlechten Zeiten für die Eisenbahn gegründet wurde und in besseren aufgeblüht ist, soll sich eben fortsetzen.