Nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Ermittlungen angekündigt, um herauszufinden, welche Behörden schon zuvor Hinweise auf den Täter bekommen hatten. „Das Bundeskriminalamt unterstützt die Ermittlungen der Behörden in Sachsen-Anhalt“, sagte Faeser der „Bild am Sonntag“. „Die Ermittlungsbehörden werden alle Hintergründe aufklären. Dabei wird auch genau untersucht, welche Hinweise es in der Vergangenheit bereits gab und wie diesen nachgegangen wurde.“
Vor mehreren Jahren fiel der tatverdächtige Taleb Al A. in Mecklenburg Vorpommern damit auf, dass er Straftaten öffentlich androhte. Im Jahr 2013 wurde er vom Amtsgericht Rostock zu 90 Tagessätzen wegen Störung des öffentlichen Friedens durch die Androhung von Straftaten verurteilt, wie Landesinnenminister Christian Pegel (SPD) am Sonntag mitteilte. Während seiner Facharztausbildung in Stralsund habe es Streit wegen der Anerkennung von Prüfungsleistungen gegeben – Al A. habe dabei gegenüber Vertretern der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern mit einer Tat gedroht, die internationale Beachtung bekommen werde. Dabei habe er auf den Anschlag beim Boston-Marathon verwiesen.
Im Januar 2014 bestand gegen den Mann offenbar der Verdacht der Nötigung. Laut Landesinnenminister wollte er bei einer Behörde in Stralsund Hilfe zu seinem Lebensunterhalt beantragen. Für den Fall, dass ihm die Hilfe versagt bleiben würde, soll er mit Handlungen gedroht haben, die internationale Beachtung bekommen würden. Laut Pegel folgte daraufhin eine sogenannte Gefährderansprache der Polizei. Al A. sei auf Konsequenzen solcher Taten hingewiesen worden. Ihm sei gesagt worden, dass man einen sehr viel genaueren Blick auf ihn haben werde.
„Wir haben hier ein völlig untypisches Muster“
Im Mai 2015 soll Al A. dann in einer Petitionshotline einer Bundesbehörde gedroht haben, sich eine Pistole zu besorgen und im Zweifel Rache an den Richtern seiner früheren Verfahren zu nehmen. Als Gefährder sei der Mann nicht eingestuft worden, sagte Pegel. Dazu brauche man normalerweise Verdachtsmomente mit ideologischem Bezug. Diese hätten nicht vorgelegen.
Eine weitere Behörde, die vor dem Attentat auf den Verdächtigen Taleb Al A. aufmerksam gemacht wurde, ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg. Eigenen Angaben zufolge erhielt das BAMF im Spätsommer vergangenen Jahres über seine Social-Media-Kanäle einen Hinweis. „Dieser wurde, wie jeder andere der zahlreichen Hinweise auch, ernst genommen“, teilte das BAMF am Samstag auf der Plattform X mit. Da das Bundesamt keine Ermittlungsbehörde sei, sei die hinweisgebende Person, wie in solchen Fällen üblich, direkt an die verantwortlichen Behörden verwiesen worden, hieß es weiter.
Auch das Bundeskriminalamt (BKA) erhielt im vergangenen Jahr einen Hinweis auf Taleb Al A. Der Präsident des BKA, Holger Münch, sagte am Samstagabend im ZDF, seine Behörde habe im November 2023 einen Hinweis aus Saudi-Arabien zu dem Mann bekommen. „Hier ist auch ein Verfahren eingeleitet worden“, so Münch. Die Polizei in Sachsen-Anhalt habe entsprechende Ermittlungsmaßnahmen vorgenommen. Die Sache sei aber zu unspezifisch gewesen. Münch erklärte auch, dass Taleb Al A. mehrmals Kontakt zu Behörden gehabt und Beleidigungen wie Drohungen ausgesprochen habe. „Er war aber nicht bekannt, was Gewalthandlungen angeht“, sagte Münch. „Wir haben hier ein völlig untypisches Muster.“
Auf einer Pressekonferenz in Magdeburg teilten die Ermittler am Samstag mit, dass die Polizei vor etwa einem Jahr erwog, eine Gefährderansprache bei A. abzuhalten. Auslöser sei eine Strafanzeige gewesen. Zu der Ansprache kam es nicht.