Einkommen der Eltern und Kindesentwicklung: Mit sieben Monaten schon im Nachteil

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Schon bei zwei Jahre alten Kindern gibt es erhebliche Unterschiede im deutschen Wortschatz und in der Grammatikbeherrschung, die durch den sozialen und ökonomischen Hintergrund der Eltern beeinflusst werden. Kinder aus bildungsarmen Familien verfügten über 97 Wörter, gleichaltrige Kinder aus bildungsnahen Familien dagegen über 158 Wörter. Das geht aus einer Langzeitstudie des Nationalen Bildungspanels (NEPS) in Bamberg hervor, die am Montag veröffentlicht wurde.

Eltern mit geringem Einkommen und niedrigem Bildungsniveau gelingt es offenkundig weniger, entwicklungsförderlich auf ihre Kinder einzugehen. Besonders ungünstig wirkt sich aus, wenn mehrere Stressfaktoren bei den Eltern zusammenkommen. In solchen Fällen sind die Erziehungsberechtigten kaum noch in der Lage, auf Kinder mit einem „herausfordernden Temperament“ feinfühlig und anregend umzugehen.

Langzeitstudie seit 2012 durchgeführt

Untersucht wurden in den Jahren 2012 bis 2015 insgesamt 3500 Kinder aus dem gesamten Bundesgebiet, die zum ersten Messzeitpunkt 7 Monate, zum zweiten 14 bzw. 17 Monate und zum dritten Messzeitpunkt zwei Jahre alt waren. Anschließend fanden die Erhebungen etwa im Jahresabstand statt. Die Forscher haben ihre Beobachtungen bei den Kindern zuhause gemacht und ein Video aufgenommen, das die Interaktion zwischen Kind und Eltern aufzeichnete und dann fachlich bewertet wurde.

Ab dem vierten Messzeitpunkt haben die damals 3 Jahre alten Kinder jedes Jahr an einer Reihe kindgerechter Spiele, administriert mit Tablets teilgenommen, die Auskunft über verschiedene Bereiche ihrer Entwicklung gaben. Nicht erfasst wurde bei der Studie, ob die Eltern oder Elternteile einen Migrationshintergrund aufwiesen.

Kinder unterscheiden sich zwar schon bei der Geburt erheblich, die Qualität früher Interaktionen mit den Erwachsenen ist jedoch entscheidend für deren Entwicklung. Konkret haben die beiden Bamberger Wissenschaftlerinnen Sabine Weinert (Entwicklungspsychologie) und Manja Attig (Psychologie) untersucht, ob die Eltern sich sensitiv verhielten, also die Bedürfnisse ihrer Kinder korrekt wahrnahmen und schnell und angemessen darauf reagieren konnten, weil Kinder nur so Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten erwerben können.

Einbezogen ist auch das emotional unterstützende Verhalten der Eltern und deren Eingehen auf emotionale Signale. Das anregende Elternverhalten umfasst entwicklungsförderliche, an das Verhalten und die Entwicklung des Kindes angepasste Hinweise, Anregungen und Aufmerksamkeitslenkung bei der Auseinandersetzung mit der Welt.

Wie Eltern ihr anregendes Verhalten zeigen, ist unterschiedlich. Die einen legen mehr Wert auf sprachliche Anregungen, andere mehr auf emotionale Unterstützung, eine weitere Gruppe von Eltern schaut Bilderbücher mit ihrem Kind an. Natürlich gibt es auch Eltern, deren Verhalten durch viele entwicklungsförderliche Merkmale gekennzeichnet ist, andere zeigen nur einzelne. Für die Videos bekamen die teilnehmenden Eltern (vorwiegend Mütter) Spielmaterialien und wurden gebeten, acht bis zehn Minuten so wie sonst auch mit ihrem Kind zu spielen.

Klare Unterschiede im Alter von sieben Monaten

Aufschlussreich ist, dass Mütter mit geringerer Bildung und geringerem Einkommen schon beim ersten Messzeitpunkt mit sieben Monaten nicht nur ein weniger anregendes Verhalten zeigten, sondern auch weniger einfühlsam auf ihr Kind reagierten. Während die Unterschiede beim sensitiven Verhalten bei den darauffolgenden Messzeitpunkten etwa gleich blieben, nahmen sie beim Anregungsverhalten der Mütter und beim Bilderbuchbetrachten im Alter von 17 Monaten und zwei Jahren noch weiter zu. Das deutet auf einen weiteren Risikofaktor für die Kinder hin. Die Studie zeigt, dass sich schon zwei Jahre alte Kinder in der Sprachfähigkeit enorm unterscheiden. Das gilt nicht nur für den Wortschatz, sondern auch für die Fähigkeit Sätze zu bilden und die Grammatik zu beherrschen.

Insgesamt kommt die Studie zu dem Schluss, dass das Elternverhalten die kindliche Entwicklung auf zwei unterschiedlichen Wegen beeinflusst: das sozial-emotional unterstützende Verhalten hängt direkt mit der kindlichen Sozialentwicklung zusammen, zum andern beeinflusst das mütterliche Anregungsverhalten den kindlichen Spracherwerb.

Sollen also alle Kinder möglichst früh in die Kita? Darauf gibt diese Studie keine Antwort, eine Simulationsanalyse des NEPS dagegen schon. Sie hat ergeben, dass vor allem Kinder aus bildungsarmen Elternhäusern vom Kita-Besuch profitieren. Das gilt insbesondere bei mathematischen Vorläuferfähigkeiten und beim Wortschatz.

Bei den Kindern aus bildungsnahen Familien verhält es sich umgekehrt. Der Kita-Besuch bringt ihnen keine Vorteile und kann sich sogar nachteilig auf die mathematischen Vorläuferfähigkeiten auswirken. Das bedeutet: die Kinder mit günstigen Ausgangsbedingungen gleichen sich nach unten an, die mit ungünstigen nach oben. Insofern gibt es eine leichte Nivellierung der sozialen Unterschiede. Unabhängig von der sozialen Herkunft hat sich für alle Kinder der Kita-Besuch positiv auf die sozial-emotionalen Kompetenzen ausgewirkt.