Die italienische Fernsehgruppe Media for Europe (MFE) hat ihr Übernahmeangebot für ProSiebenSat.1 erhöht. Das Unternehmen, das die Kinder des verstorbenen ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi beherrschen, will damit seine Chancen erhöhen, eine „starke europäische TV- und Mediengruppe mit lokalen Wurzeln“ aufzubauen, wie der Vorstandsvorsitzende Pier Silvio Berlusconi, der älteste Sohn des viermaligen Regierungschefs, am Montag mitteilte. MFE ist heute schon größter Aktionär des führenden deutschen Privatsenders und steht mit dem zweitgrößten Anteilseigner, der tschechischen Gruppe PPF , in einem Übernahmekampf.
MFE strebt nach eigenen Angaben nicht die volle Kontrolle von ProSieben an, „sondern eine Flexibilität, die es uns ermöglicht, eine klare Richtung vorzugeben“. Das hat in Deutschland die Sorge ausgelöst, dass ProSiebenSat.1 unter politischen Einfluss geraten könnte, zumal die MFE-Sender unter der früheren Regentschaft von Silvio Berlusconi als wenig unabhängig galten. Kürzlich hat Pier Silvio Berlusconi gegenüber italienischen Journalisten zudem gesagt, dass er einen Einstieg in die Politik für die Zukunft nicht ausschließe. Die von seinem Vater gegründete Partei Forza Italia, die als eine von drei Parteien die Regierung stellt, ist von den Berlusconis weiterhin finanziell abhängig.
Politische Bedenken in Berlin – Weimer will eingreifen
Vor diesem Hintergrund hat der deutsche Kulturstaatssekretär Wolfram Weimer Pier Silvio Berlusconi zu einem Gespräch nach Berlin eingeladen. Er sorgt sich um die politische Unabhängigkeit von ProSiebenSat.1. Der MFE-Chef betonte, dass in den Sendern in Italien und Spanien – dem anderen großen MFE-Standort – „stets die Wahrung grundlegender Werte garantiert wird: unternehmerische Ethik, Pluralismus, Informationsfreiheit und Beschäftigungssicherung – und das auch weiterhin“.
Im Rahmen des neuen MFE-Angebotes bietet das italienische Unternehmen den ProSiebenSat.1-Aktionären nun 1,3 MFE-Aktien je ProSieben-Titel sowie 4,48 Euro in bar. Während die Barkomponente unverändert bleibt, steigt der Aktienanteil um mehr als das Doppelte, allerdings nur in Bezug auf die A-Aktien mit geringen Stimmrechten. Auf der Basis des aktuellen Kurses liegt das neue Angebot gut 40 Prozent über der alten Offerte. „Unser Angebot ist industrieller, nicht finanzieller Art“, sagte Berlusconi. Europa brauche eine starke Fernsehgruppe; durch den Zusammenschluss könnten die Kosten gesenkt, gemeinsame Technologien ausgebaut und die Erlöse erhöht werden.
PPF von italienischem Vorstoß überrumpelt
Der Vorstand von ProSiebenSat.1 hat offiziell sieben Tage Zeit für eine Empfehlung an die eigenen Aktionäre. Die ProSiebenSat.1-Aktionäre wiederum können sich bis zum 13. August entscheiden, ob sie das nachgebesserte MFE-Angebot akzeptieren oder das Barangebot des zweiten Großaktionärs PPF aus der Tschechischen Republik, der 7 Euro je Aktie vorschlägt.
PPF dürfte von dem Vorstoß der Italiener überrascht sein. Dazu äußern wollte sich niemand offiziell. Im Umfeld der tschechischen Investorengruppe um die Erben des Milliardärs Petr Kellner herrschte jedoch einige Verwunderung über die Stellungnahme des ProSiebenSat.1-Vorstands. „Wir unterstützen die Kooperationen innerhalb der Medienbranche und ein paneuropäisches Projekt, auch in enger Zusammenarbeit mit MFE, und freuen uns auf die Fortsetzung der gemeinsamen Gespräche“, wurde Vorstandschef Bert Habets in einer Mitteilung des deutschen Fernsehkonzerns zitiert. Bei PPF leitet man aus diesen Worten offenbar ab, wie groß der Einfluss der Italiener im Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 heute schon ist. Geschlagen geben will sich die PPF-Seite keinesfalls. Auf der letzten Hauptversammlung von ProSiebenSat.1 hatte ein Vertreter der Investorengruppe mit dem „attraktiven Barangebot“ geworben. Noch dazu stellte er klar, dass ProSiebenSat.1 als eigenständiges, digitales Medienunternehmen weitermachen könne – und nicht unter das Dach einer italienischen Holding schlüpfen müsse.
Die ProSiebenSat.1-Aktionäre haben also die Wahl. Dem Vernehmen nach sollen sich die meisten Anteilseigner noch nicht entschieden haben. Rund 22 Prozent der unentschlossenen Aktionäre sollen Privatanleger sein. Auf ihre Stimme wird es insbesondere für PPF ankommen, deren Angebot darauf zielt, den eigenen Anteil von heute knapp 17 Prozent auf 29,9 Prozent zu erhöhen. Die Berlusconi-Holding hielt nach letzten Angaben knapp 30,1 Prozent der Stimmrechte von ProSiebenSat.1.