Auch in Schottland gab es kein Happy End. In der Handelspolitik helfen nur Hartnäckigkeit – und eine Vertiefung des EU-Binnenmarkts.
Die Gewinnwarnung von Volkswagen vergangene Woche war ein Signal. Die Hoffnung, im Handelsstreit mit den USA noch zu einer belastbaren Einigung zu kommen, schien zu schwinden. Allenfalls Deals wie US-Investitionen des Konzerns im Tausch gegen Rabatte beim Zoll waren für VW noch denkbar. Familienunternehmen können solche Deals in der Regel nicht verhandeln.
Die deutschen Hidden Champions, die großen Familiennamen der Industrie, sind in den USA sehr präsent und oft entscheidende Größen in den Lieferketten der dortigen Wirtschaft. Sie wären die letzten, die den USA freiwillig den Rücken kehrten oder gar den Freihandel zu Grabe trügen. Im Gegenteil: Diese Familienunternehmen verstehen sehr gut, dass man die Interessen des Exportmarktes im Auge behalten und im Ringen um Freihandel etwas anbieten muss. Aber der am Sonntag in Schottland skizzierte Deal kann nicht befriedigen.
Es drohen Wohlfahrtsverluste
Denn die Vereinbarungen, die die Trump-Regierung jetzt mit der EU anstrebt und zuletzt mit Großbritannien und Japan geschlossen hat, sind Ausdruck einer Erpressung, nicht Basis für eine gedeihliche Zusammenarbeit. Die Länder machen überschaubare Zugeständnisse im Agrarhandel und versprechen Investitionen in oder Einkäufe aus den USA. Viele Details bleiben außen vor; die Halbwertszeit könnte begrenzt sein. Die Europäische Union als Chefverhandler für die Mitgliedstaaten hätte sich auf einen solchen Deal unter normalen Umständen kaum eingelassen.
Die Szenarien, die wir zuletzt in einer großen Studie für die Regionen und Branchen in Deutschland und Europa aufgezeigt haben, machen deutlich: Es drohen beträchtliche Einbußen durch den Handelsstreit und damit Wohlfahrtsverluste. Denn die höheren Handelsbarrieren gemeinsam mit der deutlichen Abwertung des Dollars zum Euro verschlechtern die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der exportierenden Familienunternehmen selbst bei Zöllen von „nur“ 15 Prozent um schätzungsweise 25 Prozent.
Nicht kleinmachen bei der Sicherheitspolitik
Und man darf sich nichts vormachen: Das wird auch so schnell nicht weggehen. Eine lange Durststrecke liegt vor der europäischen Exportindustrie, ähnlich wie beim Brexit. Die Unsicherheit macht das US-Geschäft zusätzlich schwieriger.
Die EU kann sich überlegen, den betroffenen Sektoren und Regionen fallweise zu helfen. Die Union sollte aber gleichzeitig ihren Agrarprotektionismus wirklich und dauerhaft reduzieren. Und sie sollte in der Sicherheitspolitik unmissverständlich klarmachen, dass die USA unser zentraler Partner sind und dass hier auch sehr viel mehr europäisches Investment kommt.
Als Handelspartner sind die USA nicht unersetzbar
Vor allem aber gilt es, der Freihandelsorganisation WTO prinzipiell die Treue zu halten. Denn wie nach dem Brexit mit Großbritannien können auch im Verhältnis zu den USA wieder andere Zeiten kommen. Bis dahin sollte die EU ihre Rolle als verlässlicher Partner und Bannerträger der Rechtsstaatlichkeit nicht aufgeben. Sie ist ein Erfolgsmodell und sollte es bleiben.
Was unsere Untersuchungen auch gezeigt haben: Die Rolle der USA als Handelspartner ist sehr wichtig, aber nicht unersetzbar. Den Freihandelsabkommen mit anderen Weltregionen kann sich in dieser Lage niemand mehr im Ernst entgegenstellen. Viel mehr braucht es nun echte Unterstützung seitens der Mitgliedstaaten, vor allem Deutschlands.
Deutschland muss Druck aufbauen
Und wir sollten eigentlich unser Glück kaum fassen können, dass uns in Europa so ein riesiger Binnenmarkt zur Verfügung steht, der sich mit wenigen Handgriffen vertiefen und vollenden lässt. Deutschland muss sich um die Angelegenheit kümmern, Druck aufbauen, Koalitionen in der EU schmieden. Sonst wird das nichts.
Es sind oft Familienunternehmen oder (ihr Nukleus) Start-ups, die mit ihren Innovationen daran arbeiten, dass Europa unabhängiger wird – auch bei den digitalen Dienstleistungen, zumindest im Industriegeschäft. Und es sind Familienunternehmen, die sich durch Resilienz, langfristiges Denken und meist unerschütterliche Zuversicht auszeichnen.
Doch sie brauchen jetzt eine EU, die in Sachen Binnenmarkt mutig und schnell vorangeht. Nur so lässt sich diese Phase der Ernüchterung heil überstehen. Windige Deals sind eben auf Dauer keine Option.
Gabriel Felbermayr ist Direktor des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo.
Rainer Kirchdörfer ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen.