Ein niedrigeres Zinsergebnis hinterlässt deutliche Spuren in der Zweitquartalsbilanz der niederländischen Großbank ING. Das gilt auf Gruppenebene und umso mehr im für die Niederländer wichtigen deutschen Markt. So gab der Nettogewinn der ING Gruppe in den Monaten April bis Juni um fast sechs Prozent auf 1,68 Milliarden Euro nach. Gleichwohl hatten Analysten der Bank unterm Strich nur einen Gewinn von 1,54 Milliarden zugetraut.
Vorstandsvorsitzender Steven van Rijswijk zeigte sich dann auch gedämpft zufrieden: „Das Quartal begann mit erhöhter Marktvolatilität sowie makroökonomischer und geopolitischer Unsicherheit, die bis heute anhält. Vor diesem Hintergrund freuen wir uns, dass unser Kundenstamm ein deutliches Wachstum verzeichnen konnte“, sagte er in einer Mitteilung. Zudem betonte er, die Provisionsserträge weiter steigern zu wollen, um unabhängiger von den Zinserträgen zu werden. 2027 will die niederländische Bank gruppenweit fünf Milliarden Euro an Provisionserträgen erzielen. Derzeit machen sie 20 Prozent der Gesamterträge von 5,7 Milliarden Euro aus. Der Großteil der Erträge, nämlich 3,5 Milliarden Euro entfällt noch auf das Zinsgeschäft, allerdings liegt der Zweitquartalswert um knapp acht Prozent unter dem des Vorjahres.
100 Millionen Euro weniger Gewinn in Deutschland
Ein Trend, der sich besonders deutlich im deutschen Direktbankgeschäft widerspiegelt. Betrug hier das Zinsergebnis im zweiten Quartal 2024 noch 801 Millionen Euro, waren es in diesem Jahr nur noch 709 Millionen Euro. Zwar stiegen die Provisionserträge im deutschen Geschäft auf 154 Millionen von 117 Millionen Euro ein Jahr zuvor. Doch ist die Abhängigkeit vom Zinsergebnis in Deutschland zu groß, um das Abebben der Zinswelle, auf der die ING wie auch zahlreiche andere Institute geritten sind, zu kompensieren. Für das Privatkundengeschäft begründete die ING den Rückgang auch mit einer Aktion, bei der vorübergehend und unter bestimmten Bedingungen Sparern ein höherer Zinssatz gewährt wurde.
Auch stiegen die operativen Kosten der ING Deutschland um 20 Millionen auf jetzt 390 Millionen Euro an. Letzteres ist wohl auch dem Personalaufbau geschuldet. Die ING Deutschland beschäftigt jetzt 7055 Mitarbeiter, 498 mehr als noch vor zwölf Monaten. Das Aufwand-Ertrag-Verhältnis stieg auf 47,1 Prozent von 40,1 Prozent im Vorjahr. Das heißt, die Bank gibt jetzt 47,1 Cent aus um einen Euro zu verdienen, ein Wert der im deutschen Branchenvergleich immer noch recht gut. Wenig Bewegung gab es bei der Risikovorsorge. Hier stellte die ING Deutschland für mögliche Kreditausfälle weitere 50 Millionen Euro zurück, im zweiten Quartal des Vorjahres waren es 56 Millionen Euro. Vor Steuern erwirtschaftete die ING in Deutschland 381 Millionen, 108 Millionen Euro weniger als noch ein Jahr zuvor. Zuwächse verzeichnete die Direktbank beim Kundenstamm. In den ersten sechs Monaten kamen 100.000 Kunden dazu, die neben dem Girokonto mindestens ein weiteres Finanzprodukt nutzen. Von den 3,1 Millionen Hausbankkunden nutzen 2,7 Millionen regelmäßig ein Smartphone oder Tablet zur Erledigung ihrer Bankgeschäfte.
ING-Finanzvorstand Tanate Phutrakul sagte in einem Telefonat mit Medienvertretern, dass er davon ausgeht, dass sich die Nettozinserträge in der Gruppe im dritten Quartal stabilisieren und im vierten Quartal wieder steigen werden. Die Bank gehe nun davon aus, dass die Gebühreneinnahmen in diesem Jahr am oberen Ende der zuvor angegebenen Wachstumsbandbreite von fünf bis zehn Prozent liegen werden, während die Kosten am unteren Ende der Prognose von 12,5 bis 12,7 Milliarden Euro erwartet werden.