Die Brückensanierung kann nicht warten

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Die Bundesregierung nimmt einen Schuldenberg von 500 Milliarden Euro für die ­marode Infrastruktur auf, und im Brückenbau gehen Unternehmen in Kurzarbeit. Das Zusammentreffen dieser beiden Nachrichten mag auf den ersten Blick kaum verständlich sein. Die Antwort auf die offensichtliche Frage, wie das sein kann in einem Land, in dem Brücken zusammenbrechen oder aus Sicherheitsgründen über Nacht gesperrt sein können, klingt ernüchternd: Ein Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz ist nicht das etwa Ende aller Probleme, sondern schafft erst einmal neue. Die wiederum müssen durch kurzfristige Notmaßnahmen ausgeräumt werden. Erst dann kann es vorangehen. Die Bereitstellung großer Summen in einem schuldenfinanzierten Sondervermögen löst allein noch kein realwirtschaftliches Problem.

Die Autobahn GmbH hat das gemerkt, als ihre versprochenen 2,5 Milliarden Euro für die Brückenmodernisierung mit der Haushaltsaufstellung 2025 vom Kernhaushalt in das Sondervermögen geschoben wurden. Das sei flexibler und verspreche gleichzeitig Planungssicherheit, argumentierte die Regierung auf den Vorwurf des Verschiebebahnhofs. Zunächst macht es die Sache komplizierter. Haushaltsentwürfe gibt es jedes Jahr, das Prozedere von Haushaltsaufstellung bis zur legendären Bereinigungssitzung ist jahrzehntelang erprobt. Doch jedes Sondervermögen hat seine Eigenheiten, festgelegt in einem Errichtungsgesetz und einem Wirtschaftsplan, ähnlich einer Gebrauchsanweisung, die grundsätzlich niemand versteht.

Das führte zu unvorhergesehenen Fragestellungen: In der ersten Fassung fehlten anfänglich die Tunnel, obwohl sie zur Infrastruktur gehören. Juristen empfehlen in solchen Fällen, die Planung zunächst ruhen zu lassen. Ebenfalls für Verwirrung sorgte die Frage, wie mit Straßenabschnitten zwischen zwei Brücken umzugehen ist. Gehören sie in das Sondervermögen oder in den Kernhaushalt, oder gibt es hierfür keine Finanzierung? Vorsorglich kündigte die Führung der Autobahn GmbH einen Ausschreibungsstopp an, der Planlosigkeit offenbarte. Die ohnehin geplagte Baubranche sah sich in ihren düstersten Befürchtungen bestätigt: 2025 sei ein verlorenes Baujahr, schimpfen die Verbände. Derweil vergeht kaum eine Woche, in der nicht eine Kommune Brücken sperren muss.

Spürbar ist vor allem Ratlosigkeit

Schon im Sommer, so versprach Kanzler Friedrich Merz, werde es spürbare Verbesserung geben. Spürbar ist allerdings vor allem Ratlosigkeit. Der erste Eindruck vom Investitionsturbo ist jedenfalls verheerend: Statt Tempo gibt es Stillstand.

Hinter den Kulissen herrscht reges Treiben, doch die Beteiligten verstrickten sich im Gestrüpp der neuen Sondervermögen-Bürokratie und vergaßen vor strenger Regelfixierung, dass die neue Bundesregierung Tempo machen möchte. Neue Bahnstrecken brauchen bis zur Fertigstellung Jahrzehnte, neue Brücken etliche Jahre. Eine Rekordverschuldung vermag eingefahrene bürokratische Prozesse nicht zu verändern. Politik und Verwaltung müssen ihre Regeln und Prozesse an eine neue Zeit anpassen.

Immerhin: Der Wille zur Besserung ist da. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) will das von ihm gepflegte Image als „Investitionsminister“ nicht gleich nach drei Monaten ad acta legen. Daher will sein Ministerium jetzt ein höheres Tempo einschlagen. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU), bekennender Rheinland-Pfälzer und damit schon qua Herkunft kein Revolutionär, beginnt um zusätzliche Milliarden für seine Verkehrswege zu streiten. Bisher sind allerdings keine Mittel für den Neu- und Ausbau von Schienen- und Straßenprojekten eingeplant. Engpässe lassen sich so nicht beseitigen.

Guter Wille und Teamarbeit

Auch die Haushälter des Parlaments sind sich ihrer Aufgabe bewusst: Mit einer vorläufigen Haushaltsführung nach altem Muster lässt sich kein Land sanieren. Gerade haben sie eine zusätzliche Finanzspritze von einer Milliarde Euro durchgewinkt – als überplanmäßige Ausgabe, die keinen Aufschub mehr duldet. Auch die allzu bürokratischen Regelungen sollen angepasst werden, damit kein Jurist mehr aus reiner Vorsicht in Blockadehaltung gehen kann.

Es sollte der gesunde Menschenverstand regieren. Allerdings bietet das politische Szenario der vergangenen Wochen einen Vorgeschmack auf die Reibereien, die sich mit einer Generalüberholung des Landes verbinden. Unvorhersehbare Schwierigkeiten und Engpässe werden zu ihrer Überwindung guten Willen und Teamarbeit erfordern.