Parasiten: Immer mehr Fuchsbandwurm-Infektionen | tagesschau.de

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Stand: 01.08.2025 10:32 Uhr

Fuchsbandwurm-Infektionen beim Menschen bleiben oft unentdeckt und können tödlich enden. Laut einer Studie steigen die Fallzahlen in Europa. Wie groß ist die Gefahr und wie kann man sich schützen?

Von Jenny von Sperber und Sylvaine von Liebe, BR

Rund 4.200 Fälle in Europa in den vergangenen 25 Jahren, das hat ein Forscher-Team um Adriano Casulli, Epidemiologe am Instituto Superiore di Sanità, Rom, anhand von Daten aus Melderegistern, Krankenhäusern, Laboren und Studien gezählt. Gemessen an der Bevölkerungszahl und an anderen Infektionskrankheiten sind das zwar nicht viele Erkrankungsfälle, doch es sei in fast allen untersuchten Ländern ein steigender Trend zu beobachten, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer im Fachmagazin “Lancet” erschienen Arbeit.

Und: Die Krankheit sei gefährlich. Unbehandelte Erkrankte sterben daran zu “100 Prozent”, wie der italienische Forscher und Erstautor der Studie Casulli im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk sagt.

Süddeutschland ein Hotspot

Hotspots mit knapp 70 Prozent aller registrierten Infektionen sind demnach Österreich, Frankreich, die Schweiz und auch Deutschland, dort vor allem Bayern und Baden-Württemberg. Dennoch ist das Risiko einer Erkrankung insgesamt gering. Denn nicht jeder, der sich mit dem Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis) infiziert, erkrankt automatisch an der Krankheit. Und wenn doch, ist die sogenannte alveoläre Echinokokkose gut behandelbar, vorausgesetzt, sie wird rechtzeitig diagnostiziert, sagt Beate Grüner vom Nationalen Kompetenzzentrum für Menschen mit der Fuchsbandwurm-Erkrankung am Universitätsklinikum Ulm.

In der Leber entwickeln sich die Eier des Fuchsbandwurmes.

Die Fuchsbandwurm-Infektion – selten, aber gefährlich

Mit dem Fuchsbandwurm, einem Parasiten, der im Darm von Füchsen und kleinen Nagetieren lebt, kann sich der Mensch durch die Aufnahme von Parasiteneiern, die sich im Kot der Tiere befinden, infizieren – etwa durch kontaminiertes Wasser, Obst oder Gemüse. Im menschlichen Körper entwickeln sich die Eier dann zu Larven und nisten sich vor allem in der Leber ein, wo sie zu tumorartigen Wucherungen führen können.

Obwohl die durch den Parasiten hervorgerufene alveoläre Echinokokkose gefährlich ist, wie auch der italienische Forscher Casulli im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk betont, kann das Immunsystem vieler Menschen den Parasiten offenbar abwehren.

Die Zahl der Infektionen ist selbst hierzulande – in einem der Hotspots – sehr gering. Etwa 50 Neuerkrankungen würden jedes Jahr in Deutschland gemeldet, sagt Beate Grüner vom Uniklinikum Ulm. Seit dem Jahr 2001 ist die Infektion mit dem Parasiten in Deutschland meldepflichtig.

Fuchsbandwurm-Erkrankung: Diagnose dauert oft Jahre

Das zentrale Problem der Betroffenen: Die ersten Symptome – wie etwa eine durch den Druck des Larvengewebes auf den Gallengang hervorgerufene Gelbsucht – treten zum Teil erst Jahre oder gar Jahrzehnte nach einer Infektion auf.

Ein weiterer Grund für den oft langen Weg zur richtigen Diagnose: Viele Ärzte denken bei erhöhten Leberwerten nicht gleich an eine Fuchsbandwurm-Erkrankung. Knapp die Hälfe der Infektionen würden inzwischen zufällig entdeckt, sagt Beate Grüner vom Uniklinikum Ulm. “Die kommen nicht mit Beschwerden, sondern man findet im Ultraschall oder CT oder Kernspin einen Fleck auf der Leber, mal einen kleinen, mal einen großen”, ist die Erfahrung der Medizinerin mit ihren betroffenen Patienten.

Behandlung der Erkrankung: Operation oder Medikamente

Ist die Fuchsbandwurm-Erkrankung diagnostiziert, folgt entweder eine Operation, mit der man den Parasiten vollständig entfernt oder eine Behandlung mit Medikamenten. “Je jünger der Patient, desto sinnvoller ist in der Regel eine Operation”, so Beate Grüner. Bei älteren Patienten, bei denen das OP-Risiko steige, seien Medikamente zur Behandlung “der bessere Weg”. Die Medikamente müssten dann regelmäßig, meist lebenslang eingenommen werden. Ohne Behandlung sterben Menschen mit der Erkrankung nach spätestens zehn Jahren.

Anstieg der Infektionszahlen? Erfahrungen aus der Praxis

Den von Adriano Casulli und seinem Team festgestellten Anstieg der Infektionen sieht die Infektiologin eher gelassen. “Wir sehen keinen sprunghaften Anstieg, sondern der höchste Wert war etwa 2018 und seitdem bleibt es ungefähr auf diesem Plateau”, sagt sie im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk. Als Ursache für die gestiegenen Zahlen sieht sie vor allem die besseren Diagnoseverfahren wie “viel mehr Bildgebung”, wodurch mehr Fälle entdeckt würden.

Händewaschen bester Schutz

Ein gewisses Infektionsrisiko besteht dennoch. In Bayern soll laut dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) jeder dritte bis vierte Fuchs mit dem Parasiten infiziert sein. Adriano Casulli vom Instituto Superiore di Sanità in Rom rät daher: “In Deutschland ist der Parasit verbreitet, vor allem im süddeutschen Raum. Wenn ich dort im Wald unterwegs wäre, würde ich mir auf jeden Fall immer sehr gut die Hände waschen.” Auch Obst und Gemüse aus dem Garten empfiehlt er, gründlich zu waschen. Denn das kann mit infizierten Füchsen in Berührung gekommen und so mit dem Parasiten belastet sein.

Auf Spaziergänge in der Natur einschließlich Brombeerenpflücken sollte man laut der Fuchsbandwurm-Spezialistin Grüner trotzdem nicht verzichten. Ein gutes Immunsystem sei schließlich der beste Schutz für die Abwehr einer Fuchsbandwurm-Infektion, so die Medizinerin.