Klimawandel in Spanien: Wie sich Städte vor Extremhitze schützen

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Stand: 04.08.2025 05:47 Uhr

Spanien gilt als Hotspot des Klimawandels. Vor allem in den Städten steigen die Temperaturen extrem. Viele Kommunen entwickeln Notfallpläne und stellen ihre Stadtplanung um. Als federführend dabei gilt Barcelona.  

Von Julia Macher, ARD-Studio Madrid

Über dem Kinderspielplatz Antoni Santiburcio hängt seit Ende Mai ein Mosaik aus dreieckigen Planen. Darunter ist es merklich kühler als nebenan. Der Spielplatz in Barcelonas Arbeiterviertel Sant Andreu war der erste von mehr als 70 öffentlichen Plätzen, die mit künstlichen Schattenspendern ausgestattet wurden – als Sofortmaßnahme gegen steigende Temperaturen. 13 Millionen Euro kostet das Beschattungsprogramm. 

Barcelona und seine “Klimarefugien”

Es ist Teil des städtischen Plans zur Klimaadaption. Zu ihm gehören ein umfassendes Begrünungsprogramm, mehr entsiegelte Flächen im Stadtzentrum und ein Netz sogenannter “Klimarefugien”. Das sind klimatisierte Bibliotheken, Sportstätten oder andere öffentliche Einrichtungen, in denen Anwohner kostenlos Abkühlung und Trinkwasser finden. 400 solcher Refugien gibt es bereits. Das Netz wird laufend ausgebaut.  Bis 2035 soll jede Bewohnerin, jeder Bewohner innerhalb von fünf Gehminuten Zuflucht vor der Hitze finden, derzeit sind es noch zehn Minuten. Die Idee wird inzwischen von anderen spanischen Städten kopiert.  

Mit solchen Ansätzen ist Barcelona spanienweit federführend in Sachen Klimaadaption – und das wird im Mittelmeerraum immer wichtiger. In Barcelona ist die Durchschnittstemperatur seit den 1980er Jahren um 1,6 Grad gestiegen. Bis Ende des Jahrhunderts wird sich die Zahl der Hitzewellen Greenpeace zufolge voraussichtlich verdoppeln – mit fatalen Folgen. “Extremhitze ist die Folge des Klimawandels, die weltweit am meisten Todesopfer fordert”, sagt Elvira Jiménez von Greenpeace Spanien.  

 

Der Wärmeinsel-Effekt

Weil Baumaterialien wie Beton und Asphalt Wärme viele Stunden speichern, wird Hitze in Städten besonders schnell unerträglich. Außerdem sind Flächen wie Straßen, Gehsteige oder öffentliche Plätze meist mit Asphalt versiegelt. Die Böden können so kein Wasser aufnehmen und zur Verdunstung abgeben. Dadurch entfällt ein wichtiger Mechanismus zur Klimaregulierung. Das führt zu gewaltigen Temperaturunterschieden: In Barcelona ist es im Sommer im Schnitt drei Grad wärmer als jenseits der Stadtgrenzen – mit Ausschlägen von bis zu sieben oder acht Grad. Auch in vielen anderen Städten kommt es zu diesem “Wärmeinsel-Effekt”. Um dem entgegenzuwirken, empfehlen Wissenschaftler mehr Grünflächen und großflächige Entsiegelung von Böden. 

Tödliche Hitzewellen

2.020 Menschen starben in Spanien im vergangenen Jahr an den Folgen hoher Temperaturen, 14 davon direkt an einem Hitzschlag. Laut einer Anfang des Jahres in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Studie könnten allein in der Mittelmeermetropole bis Ende des Jahrhunderts 246.000 Menschen an den Folgen der steigenden Temperaturen sterben.   

Bäume pflanzen, Böden entsiegeln

Die Stadt hat Prävention bei Hitzewellen und städtebauliche Anpassung an Extremwetter daher zur Kernaufgabe erklärt. Bereits seit 2007 gibt es in Barcelona abgestufte Maßnahmen für Hitzewellen – mit Info-Kampagnen, Verhaltenstipps und ausgeweiteter notärztlicher Betreuung. In einem Pilotprojekt sollen Szenarien für Extremtemperaturen bis 50 Grad getestet werden. “Wir denken aber auch bei städtebaulichen Maßnahme den Faktor Hitze immer mit”, sagt Irma Ventanyol, Direktorin des städtischen Büros für Klimawandel.  

Bei der Anlage von neuen Plätzen, Gehwegen oder Straßen wird verstärkt auf entsiegelte Böden geachtet, die Wasser aufnehmen und verdunsten lassen können. Immer häufiger ersetzen Kiessand oder Bodenfliesen den Asphalt. Dazu kommen Förderprogramme für eine verbesserte Wärmedämmung. Die Grünflächen der Stadt sollen in den nächsten vier Jahren um 22 Hektar erweitert werden, inklusive der Begrünung von Dächern und Fassaden öffentlicher Gebäude.  

Klimagerechtigkeit als Schwerpunkt

Dabei wird zuerst dort interveniert, wo Menschen mit einem eher niedrigen sozioökonomischen Standard leben. “Wer ärmer ist, leidet im Durchschnitt stärker unter Extremwettern als Wohlhabende”, so Ventanyol.  Tendenziell sei die Bebauung in diesen Vierteln dichter, die Wärmedämmung der Gebäude oft unzureichend und eine Klimaanlage für die Bewohner schlicht zu teuer. 

In einer Bewertung von Hitzeplänen von 15 spanischen Großstädten durch Greenpeace hat das der Mittelmeermetropole den obersten Platz beschert. Als lobenswert galt der Umweltschutzorganisation außerdem, dass die geplanten Grünflächen fest im Haushalt eingeplant und gleichmäßig über die Stadt verteilt seien. Allerdings mahnt Greenpeace eine schnellere Umsetzung der Maßnahmen an. “Um die Sterblichkeit zu reduzieren, dürfen wir keine Zeit verlieren”, so Sprecherin Elvira Jiménez. 

Der Vorteil naturbasierter Lösungen

Bei ihrem Vergleich kritisiert die Nichtregierungsorganisation, dass viele Städte nur unzureichend analysiert hätten, welche Stadtgebiete sich warum besonders aufheizten. Außerdem fehlten vielerorts Frühwarnsysteme. So hat die Hauptstadt Madrid keinen Hitzenotfallplan, obwohl dort die Zahl der Tage mit Extremtemperaturen bis Ende des Jahrhunderts auf 70 bis 109 Tage steigen könnte. Im Jahr 2005 waren es noch 48 Tage.  

Immerhin: Das Bekenntnis zu mehr Grün findet sich inzwischen in allen Klimaadaptionsplänen. Laut einer Studie des Instituts IS Global ließe sich im Schnitt in europäischen Städten durch 30 Prozent mehr Begrünung hitzebedingte Sterblichkeit um ein Drittel senken. Mehr Grün helfe aber nicht nur gegen Hitze, so Greenpeace. “Richtig geplante Grünflächen nehmen bei Starkregen auch das Wasser besser auf und vermeiden so Überschwemmungen”, so Elvira Jiménez. Das überschüssige Wasser wiederum könne umgeleitet und für Dürreperioden gespeichert und verwendet werden.  

Barcelona lässt seinen Stadtbäumen auch deswegen eine Sonderbehandlung zukommen. Selbst bei Dürre bleibt ein Teil des Wassers für Bäume reserviert - als wichtige städtische Infrastruktur.