Litauens Regierungschef Paluckas zurückgetreten | FAZ

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Litauens Regierungschef Gintautas Paluckas und sein Kabinett sind zurückgetreten. Der 45 Jahre alte Sozialdemokrat zog damit die Konsequenzen aus Vorwürfen wegen dubioser Geschäftsbeziehungen und Interessenkonflikten.

Paluckas’ Schritt führt gemäß litauischer Verfassung automatisch zum Rücktritt der gesamten Regierung des baltischen EU- und NATO-Landes. Bis zur Bestätigung eines neuen Kabinetts bleibt sie geschäftsführend im Amt.

Paluckas muss nun noch sein Demissionsgesuch an Präsident Gitanas Nauseda überreichen. Das Staatsoberhaupt hat dann 15 Tage Zeit, dem Parlament einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs vorzuschlagen.

Nauseda traf dazu bereits mit dem neuen Chef der Sozialdemokratischen Partei Litauens (LSDP) zusammen, die die stärkste Kraft im Parlament in Vilnius ist. Die Partei will am Mittwoch ihren Kandidaten für die Nachfolge von Paluckas bestimmen, der auch den Parteivorsitz niederlegte.

Vorwürfe des Amtsmissbrauchs und der Vetternwirtschaft

Gegen den 45 Jahre alten Politiker, der seit Dezember 2024 im Amt war, waren in den vergangenen Wochen Vorwürfe des Amtsmissbrauchs und der Vetternwirtschaft aufgekommen, die er zwar zurückgewiesen, aber bisher nicht glaubwürdig hatte entkräften können. Litauens Präsident Gitanas Nauseda sagte vergangene Woche, er begrüße den Rücktritt. „Ich glaube, er hat die einzig richtige Entscheidung getroffen.“

In der vergangenen Woche hatten zudem Ermittler des Finanzkriminaldienstes ein Unternehmen von Paluckas’ Schwägerin durchsucht. Ihre Firma hatte von der Regierung 173.000 Euro EU-Fördermittel für den Ausbau von Ladeinfrastruktur für Elektroautos erhalten, für die sie wiederum Geräte einer Firma bestellt hatte, die sich zur Hälfte im Besitz von Paluckas befindet.

Zwar erklärte die Schwägerin, dass der gesamte Prozess transparent und Paluckas „in keiner Form in die Geschäftstätigkeit“ involviert gewesen sei. Zugleich kündigte sie jedoch an, die EU-Mittel zurückzugeben, da „der Seelenfrieden der Familien und Angehörigen für den Chef und die Aktionäre der Firma wichtiger ist als Geld“. Für Paluckas, gegen den obendrein wegen des Verdachts auf Kreditbetrug ermittelt wird, kam das zu spät. Seinen Rücktritt begründete er damit, Schaden von der Koalition und Angriffe auf seine Familie abwenden zu wollen. Er glaube, „dass ich unsere Regierungskoalition und unser Kabinett nicht zu Geiseln dieser Skandale machen kann“. Er habe aber nicht das Gefühl, sich falsch verhalten zu haben, sondern werde die Ermittlungen abwarten, um Fakten und Fiktion zu trennen.

Die erst im Dezember gebildete Regierungskoalition aus Sozialdemokraten, „Für Litauen“ und der populistischen Partei „Memel-Morgenröte“ dürfte damit bereits wieder Geschichte sein. Saulius Skvernelis, Vorsitzender des Koalitionspartners „Für Litauen” und zudem Parlamentspräsident, erklärte nun, er sehe den Koalitionsvertrag als beendet an. Zudem bezweifle er, dass seine Partei abermals mit der „Memel-Morgenröte“ koalieren werde.

Deren Chef steht zurzeit wegen mutmaßlich antisemitischer Äußerungen vor Gericht. Den Interimsvorsitz der Sozialdemokraten übernahm der 41 Jahre alte Mindaugas Sinkevicius. Er erklärte, sich nicht um das Amt des Regierungschefs bewerben zu wollen. Übernehmen könnte er es ohnehin nicht, weil er 2024 wegen Amtsmissbrauchs, Dokumentenfälschung und Veruntreuung von Eigentum zu einer Geldstrafe verurteilt wurde und drei Jahre lang keine öffentlichen Ämter bekleiden darf.