Warum Klimaschutz eigentlich günstig ist

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Der Schutz des Klimas ist ein globales Kooperationspro­blem. Wäre die Welt ein Kollektiv, hätte sie viele Gründe, die Erderwärmung zu bekämpfen: ein geringerer Anstieg des Meeresspiegels, weniger Artensterben und seltenere Extremwetterereignisse zum Beispiel. Es müssten weniger Deiche gebaut und nicht ganz so viele Klimaanlagen installiert werden. Auch die kommenden Generationen stünden vor einer lebenswerten Zukunft, zumindest in Bezug auf das Klima.

Für einzelne Personen, Unternehmen und Staaten erscheint Klimaschutz jedoch oft irrational. Denn während der Einzelne die gesamten Kosten für die Einsparung einer Tonne CO2 trägt, erhält er nur etwa ein Achtmilliardstel des Nutzens. Verständlich, dass Klimaschutz bei vielen nicht das beliebteste Thema ist. „Wenn wir als Menschen nur in der Lage wären, als globales Kollektiv zu entscheiden und zu handeln, wäre Klimawandel so etwas wie Pocken: ein Problem aus den Geschichtsbüchern, das wir vor langer Zeit bereits gelöst hätten“, schrieb der Ökonom Lion Hirth kürzlich.

Dieses Fehlen individueller Anreize erklärt den schleppenden Fortschritt im Kampf gegen den Klimawandel. Politiker weltweit, von US-Präsident Donald Trump bis Bundeskanzler Friedrich Merz, tun sich schwer, ihren Wählern zu vermitteln, warum teurer Klimaschutz nicht nur „moralisch richtig“, sondern auch mit einem konkreten Nutzen für sie selbst verbunden ist.

In diesem Kontext ist die jüngste Erkenntnis der ZEW-Forscher Sebastian Rausch, Tim Kalmey und Jan Schneider bemerkenswert: Die einseitige Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe würde nicht nur erhebliche Steuereinnahmen generieren und den Klimaschutz günstiger machen, sondern auch in fast allen Ländern der Welt die Wohlfahrt steigern. Das bedeutet, dass jedes einzelne Land einen starken Anreiz zum Abbau von Subventionen hätte – selbst wenn die anderen Länder nicht mitmachen.

Nach wie vor zahlen Regierungen enorme Summen, um den Verbrauch von Benzin, Diesel, Kerosin, Kohle oder Erdgas künstlich zu verbilligen. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) beliefen sich die klimaschädlichen ­Subventionen im Jahr 2022 auf 1,3 Billionen Dollar, was 1,3 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung entspricht. In Deutschland flossen in dem Jahr umgerechnet 43 Milliarden Dollar (1,0 Prozent des BIP). Und ein Ende ist vorerst nicht in Sicht: Union und SPD wollen laut Entwurf des Haushalts, den die ­Bundesregierung am Mittwoch vorgestellt hat, im kommenden Jahr etwa die Pendlerpauschale auf 38 Cent ab dem ersten Kilometer erhöhen und die Gasspeicherumlage aus dem Klima- und Transformationsfonds finanzieren. Außerdem ist im Koalitionsvertrag vereinbart, mittelfristig die Erhöhung der Luftverkehrsteuer zurückzunehmen, die Subventionen für den Agrardiesel wieder einzuführen und Landwirte nicht in den Emissionshandel einzubeziehen. Die Koalition plant auch, die Strompreiskompensation, die einen Teil der Industrie von den CO2-Kosten im Emissionshandel befreit, auszuweiten.

Neu Delhi hat große Probleme mit Luftverschmutzung.
Neu Delhi hat große Probleme mit Luftverschmutzung.Reuters

Die ZEW-Forscher berücksichtigen, anders als viele andere Wissenschaftler, neben solch expliziten auch sogenannte implizite Subventionen. Das sind die Kosten, die fossile Brennstoffe verursachen, indem sie die Luft vor Ort verschmutzen, die aber nicht im Preis von Kohle, Öl und Gas berücksichtigt sind. Verbrennerautos zum Beispiel verursachen nicht nur Staus, bauen Unfälle oder schaden den Straßen. Die vor Ort ausgestoßenen Schadstoffe wie Feinstaub, Schwefeldioxid oder Stickoxide verschmutzen auch die Luft und machen die Menschen krank, was sich in erhöhten Sterblichkeitsrisiken ausdrückt. Diese Kosten trägt größtenteils die Allgemeinheit.

Nach IWF-Angaben summierten sich diese impliziten Subventionen 2022 in Deutschland auf weitere 86 Milliarden Dollar, weltweit sind es 5,7 Billionen Dollar (5,8 Prozent des Bruttoweltprodukts). Das ZEW nennt sie einen „Gradmesser für die volkswirtschaftlichen Kosten der Nutzung übermäßig billiger fossiler Energien“. In Deutschland haben diese lokalen Schäden bislang keinen Preis. Zwar gibt es Emissionshandelssysteme für Kohlenstoffdioxid, aber nicht für Feinstaub oder Stickoxide. Umweltzonen in Städten, Feinstaubplaketten, die Lkw-Maut oder auch Start- und Landegebühren an Flughäfen berücksichtigen Schadstoffe zumindest teilweise. „Auch aufgrund der fehlenden Bepreisung von lokalen Schäden sind Volkswirtschaften weltweit stark verzerrt in Richtung fossiler Energie“, sagt ZEW-Ökonom Rausch.

Sein Team und er wollten wissen, was passiert, wenn ein Land jeweils auch solche Subventionen abschafft. Dazu entwickelten sie ein makroökonomisches Modell der Weltwirtschaft, welches unter anderem detaillierte IWF-Daten zu den Subventionen für fossile Brennstoffe und den externen Kosten ihres Verbrauchs verwendet.

Die Ergebnisse zeigen: Die einseitige Abschaffung direkter Subventionen führt für die meisten Länder zu moderaten Wohlfahrtsgewinnen von durchschnittlich 0,2 Prozent. Bezieht man aber auch die eingesparten Gesundheitskosten ein, weil die Luft vor Ort weniger verschmutzt wird, steigen die Wohlfahrtsgewinne auf durchschnittlich 3,7 Prozent. Vor allem Länder mit einer sehr hohen Energieintensität wie China, Indien, Saudi-Arabien und Russland würden profitieren.

Der angenehme Nebeneffekt: Ein Drittel aller Lände würde – zumindest in der Theorie – ohne weitere Maßnahmen ihr Klimaziel erreichen, das zur Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad notwendig ist. Darunter sind auch so wichtige Emittenten wie China, Indien und Indonesien. Am Beispiel Chinas, das große Probleme mit schmutziger Luft in seinen Städten hat, wird das besonders deutlich: Wenn das Land Schadstoffe richtig bepreisen würde, würden Kohle, Öl und Gas deutlich teurer und der Verbrauch so stark sinken, dass selbst sein Emissionshandelssystem für CO2 überflüssig würde. Auch Industriestaaten und Länder mit hohen Energieimporten wie Deutschland, die USA, Japan oder das Vereinigte Königreich könnten mit dem Abbau aller Subventionen schon rund ein Drittel ihrer Klimaziele erreichen.

Wenn die Politik sich also schwer damit tut, ihren Wählern Klimaschutz zu verkaufen, sollte sie vermutlich stärker betonen, wie viel besser die Luft und wie viel gesünder die Bürger dadurch werden könnten. Vielleicht folgt daraus eine höhere Akzeptanz.

Tim Kalmey, Sebastian Rausch & Jan Schneider: The Welfare Effects of Explicit and Implicit Subsidies on Fossil ­Fuels. ZEW Discussion Paper 25-021, Juni 2025.

Simon Black, Antung A. Liu & Ian W. H. Parry: IMF Fossil Fuel Subsidies Data: 2023 Update. IMF Working Papers 169, August 2023.