Um dieses Spiel zu verstehen, in seiner ganzen Schönheit und mit allen seinen Widersprüchen, braucht es Lebensweisheiten. Das sind diese kurzen Sätze, die das Große im Kleinen einfangen und die Golfspieler sich zwischen zwei Schlägen gern auf dem Platz erzählen. Eine dieser Sentenzen lautet: So wie ein Mann seinen Golfschläger in die Hand nimmt, so nimmt er auch sein Leben in die Hand.
Wie wahr dieser Satz ist, der natürlich auch für Frauen gilt, zeigt Donald Trump. Der amerikanische Präsident schwingt seine Schläger so ruckartig vor und zurück, dass von der Eleganz einer über Jahre trainierten Bewegung nur noch eine vage Vorstellung bleibt. Besonders zeigt sich das auf dem Grün, wenn es darum geht, den Ball ins Loch zu rollen.
Die kleine Bewegung ist filigran und fließend, die Konturen des kurz gemähten Grasteppichs sagen dem Spieler, was zu tun ist. Nicht so bei Trump. Bilder, die während seines jüngsten Golfausflugs nach Schottland entstanden sind, dokumentieren die Unbarmherzigkeit seiner Technik. Der Rückschwung kurz und abgehackt, der Durchschwung viel zu lang – es wirkt so, als wolle der Präsident den Ball ins Loch zwingen. Nur dass der sich nicht zwingen lässt.
Wer Donald Trump spielen sieht, der beobachtet einen Mann bei seinem Versuch, den Platz in 18 Runden zu bekämpfen. Als wäre der weiße Ball die Waffe und die Fahne am Horizont der Gegner, den es niederzuringen gilt. Großen Spielern merkt man an, dass sie nicht gegen die Natur antreten, sondern – auch das ist eine der Lebensweisheiten, die man sich gern auf dem Platz erzählt – gegen sich selbst. Was die Faszination dieses Sports ausmacht? Dass der Einfluss des Gegners auf das eigene Spiel so gering ist. Wer auf dem Golfplatz gewinnt, der gewinnt für sich allein. Wer versagt, der versagt höchstselbst.

Trump hat mehrfach klargemacht, dass es in seinem Leben fürs Verlieren keinen Platz gibt. So kann man es natürlich sehen. Doch das führt beim Golfspiel in ein Dilemma. Denn selbst sehr gute Spieler, zu denen der Präsident nicht zählt, machen zwischen Abschlag und Grün Fehler. Zahlreiche Fehler. Sie wissen sogar, so lautet eine weitere Weisheit, dass Golf im Kern ein Spiel der Fehler ist – und dass die Kunst darin besteht, das eigene Unvermögen richtig einzuschätzen und die Strategie entsprechend zu planen.
Dass Trump auf dem Golfplatz lügt, ist kein Geheimnis
Am vorvergangenen Wochenende im schottischen Turnberry konnte man sehen, wie es auch anders geht. Die Anlage gehört dem amerikanischen Präsidenten, der mit einem Tross Carts über die Bahnen braust – und gewiss zum Leidwesen des Personals auch mitten auf die kurz gemähte Abschlagbox, die besonders viel Pflege erfordert.
Trumps Caddie lässt auf einer Bahn im höheren Gras dezent einen neuen Ball fallen – nachdem der gespielte Ball verloren ging? Trump jedenfalls steuert auf die perfekt platzierte Kugel zu, als wäre es seine. Das Regelbuch sieht im Turnier für das Schlagen eines falschen Balls eine Strafe von zwei Schlägen vor.
Dass Donald Trump auf dem Golfplatz lügt, ist kein Geheimnis. Von den etwa zwei Dutzend Klubmeisterschaften, die er gewonnen haben will, entpuppen sich viele laut einer Recherche des amerikanischen Journalisten Rick Reilly als Luftnummer.
Einmal will Trump gar als Sieger aus einem Turnier hervorgegangen sein, in einer Anlage, die da noch gar nicht geöffnet war. Und auf einem älteren Video im Netz sieht man, wie Trump einen kurzen Schlag am Loch vorbeischiebt, sich schnell bückt und die noch rollende Kugel mit der Hand ins Loch schubst. Auch dafür sehen die Regeln eine Strafe vor.
Golf lebt von der Integrität seiner Spieler wie die Demokratie von der Aufrichtigkeit ihrer Mandatsträger. In der Demokratie sollen Gesetze sicherstellen, dass die Parteien in einem fairen Wettstreit um die Zustimmung der Wähler werben. Auf dem Golfplatz garantieren Regeln, dass die Leistung zweier Spieler vergleichbar bleibt – deren Einhaltung ist aufrechten Sportlern keine Bürde, sondern Selbstverständlichkeit.
Ende Juni hat der amerikanische Golfprofi Russell Henley bei einem Turnier darauf bestanden, sich einen Strafschlag aufzuschreiben. Er glaubte, dass er seinen Ball geringfügig bewegt habe. Selbst ein Offizieller plädierte gegen die Strafe. Doch Henley blieb standhaft. Am Ende verpasste er ein Play-off um den Sieg um einen Schlag.
Jeder Golfer kann Regeln brechen, die meisten haben es irgendwann einmal getan. Doch der Kern des Sports ist unbestechlich. Ergebnisse sind im Golf – anders als in der Politik – nicht alles. Es geht dort mindestens genauso sehr um die Art, wie sie zustande kommen. Damit entlarvt der Sport jeden Mächtigen, der seine Prioritäten anders setzt. Donald Trump mag noch so viel Zeit auf dem Golfplatz verbringen. Er kann noch so viele Anlagen in seinen Besitz nehmen. Ein Golfer wird aus ihm nie werden.