Beschleunigte Asylverfahren führen zu Klagewelle bei den Gerichten

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Die Zahl der Klagen und Eilanträge, die abgelehnte Asylbewerber bei den hessischen Gerichten einreichen, ist stark gestiegen. Nach Angaben des Justizministeriums lag sie im ersten Halbjahr 2024 noch bei 3759. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres betrug sie 7271. Das ist ein Anstieg um 93,4 Prozent.

Am 30. Juni 2025 waren bei den hessischen Verwaltungsgerichten insgesamt 10.054 asylrechtliche Verfahren anhängig. Damit liegt Hessen in einem gesamtdeutschen Trend, über den die „Bild“-Zeitung zuerst berichtete. Demnach hat Niedersachsen mit einem Plus von 127 Prozent zu kämpfen. In Sachsen-Anhalt haben sich die Zahlen mehr als verdoppelt. Nordrhein-Westfalen vermeldet einen Anstieg der Neuzugänge um 73,4 Prozent. Für Bayern und Baden-Württemberg werden Zuwächse in der Größenordnung von 65 Prozent ange­geben.

Die in allen Bundesländern abgefragten Daten scheinen den sich in ganz Deutschland abzeichnenden Signalen der Entspannung in der Migration auf den ersten Blick zu widersprechen. Der drastische Rückgang der Zahl der Asylanträge wurde zunächst noch mit der Einführung erster Grenzkontrollen durch die frühere Ampelregierung erklärt.

Anstieg war zu erwarten

Inzwischen werden auch das Ende der Assad-Regierung in Syrien und die Mi­grationspolitik des Bundesinnenministers Alexander Dobrindt (CSU) genannt. Dass die Gerichte in diesem Jahr viel mehr Arbeit mit abgelehnten Asylanträgen haben, lässt sich nicht nur erklären, es war auch erwartet worden: Als der hessische Justizminister Christian Heinz (CDU) vor knapp zehn Wochen ver­kündete, dass die Asylverfahren sich in Hessen verkürzt hätten, fügte er hinzu, dass die weitere Entwicklung abzuwarten bleibe. Dadurch, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge neuerdings über zu­­sätz­liche personelle Ressourcen verfüge, würden erheblich mehr Anträge be­­ar­beitet, in der Folge könnten an den Gerichten deutlich mehr Klagen eingehen, sagte Heinz.

Diese Befürchtung scheint sich jetzt zu bestätigen: Weil in dem Bundesamt rund 1000 zusätzliche Stellen geschaffen wurden, können mehr Anträge schneller bearbeitet werden. So kommt es zu mehr Ablehnungen von Asylanträgen, gegen die im ganzen Land geklagt wird.

Hessen verweist auf bereits in der Vergangenheit geschaffene zusätzliche Stellen und neue Strukturen. In der Vergangenheit waren Richter an unterschied­lichen Orten des Landes gleichzeitig damit beschäftigt, sich mühevoll in die Besonderheiten derselben Herkunftsstaaten einzuarbeiten. Nach dem Vorbild des Nachbarlandes Rheinland-Pfalz hatte darum schon Heinz’ Vorgänger Roman Poseck (CDU) für eine Bündelung am Standort Gießen gesorgt: In der Regel werden die Richter dort nur noch mit Asylbewerbern aus Staaten befasst, die sie von vornherein einschätzen können. Allerdings bearbeiten sie nicht alle asylgerichtlichen Klagen zentral, sondern nur jene von Flüchtlingen, die aus si­cheren Herkunftsstaaten stammen und deshalb kaum eine Bleibeperspektiven haben.

Eigene Kammer für Asylrecht

Im vergangenen Jahre hatte Heinz die relativ hohe Anzahl an Altverfahren am Verwaltungsgericht Darmstadt zum Anlass genommen, sich dort für eine spezielle Asylkammer einzusetzen. Sie nahm am 1. August 2024 ihre Arbeit auf. Für das erste Quartal 2025 konnte Justiz­minister Heinz eine durchschnittliche Verfahrensdauer von 19,8 Monaten vermelden. Sie hatte in den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres noch bei 29,2 Monaten gelegen.

Dies zeige, dass die Maßnahmen „unerlässlich“ gewesen seien, sagte ein Sprecher des Justizministeriums am Montag. Die im Vergleich zum Vorjahr gestie­genen Eingangszahlen der asylgericht­lichen ­Verfahren könnten „perspektivisch“ auch Auswirkungen auf die Verfahrenslaufzeiten haben.

Eine konkrete Aussage oder eine belastbare Prognose sei dazu gegenwärtig aber noch nicht möglich, da die Dauer eines asylgerichtlichen Verfahrens erst mit seinem Abschluss statistisch erfasst werde, heißt es aus dem Justizminis­terium weiter. Die seit Anfang des Jahres 2025 neu eingegangen Verfahren würden sich erst sukzessive in den Erhebungen niederschlagen.

Der Verkürzung der Verfahrensdauer soll von diesem Sommer an auch der weiteren Konzentration dienen. Dem Verwaltungsgericht Frankfurt werden Flücht­linge aus Äthiopien und Eritrea zugewiesen, Kassel ist für die Herkunftsstaaten Irak und Pakistan zuständig und Wiesbaden für die Russische Föderation und Somalia.