Strafzölle von Donald Trump: Indien und Brasilien suchen Verbündete für Reaktion

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Wer ist schuld daran, dass Russland trotz seines kostspieligen Kriegs gegen die ­Ukraine immer noch nicht bankrott ist? Indien mit seinen Käufen riesiger Mengen russischen Öls, findet Donald Trump und wettert, der Subkontinent könne seine „tote Volkswirtschaft“ zu Grabe tragen. Nachdem der US-Präsident bereits in der vergangenen Woche seine indischen „Freunde“ mit einem Zoll von 25 Prozent auf indische Exporte in die USA schockiert hatte, verdoppelte er den Satz am Mittwoch auf 50 Prozent – zur Strafe dafür, dass Indien im Schnitt jeden Tag zwei Millionen Barrel (Fass zu 159 Liter) Öl aus Russland importiert.

Dabei sei es doch niemand anderes gewesen als die USA, die Indien regelrecht gedrängt hätten, nach dem Überfall der Russen auf die Ukraine im Februar 2022 das frei gewordene russische Öl zu kaufen, von dem zuvor 2,6 Millionen Barrel pro Tag nach Europa gegangen waren. So sieht es Indien.

Gefüttert von der Regierung in Neu Delhi, graben die Zeitungen des Landes seit Donnerstag eifrig alte Zitate aus. Vom ehemaligen amerikanischen Botschafter in Neu Delhi Eric Garcetti zum Beispiel, der im Mai 2024 auf einer Veranstaltung gesagt haben soll, die Inder hätten das russische Öl vor allem deshalb gekauft, „weil wir (die US-Regierung) nicht wollten, dass der Ölpreis steigt“.

Hat Trump kein gutes Blatt auf der Hand?

Doch weil es Trump kaum interessieren dürfte, was für Signale die Regierung seines Amtsvorgängers Joe Biden einst Indien gegeben hat, stellt sich in der 1,4 Milliarden Menschen zählenden Nation nun die Frage, ob die aufstrebende Volkswirtschaft für ihr weiteres Wachstum überhaupt auf das günstige Öl aus Russland verzichten kann. Aus der Branche heißt es, die indischen Raffinerien hätten ihre Bestellungen aus Russland schon um bis zur Hälfte reduziert.

Dass er neben China auch Indien wegen seiner Käufe in Russland bestrafen könnte, hat Trump bereits vor Wochen gesagt. Damals hatten indische Analysten beruhigt, dann kaufe das Land eben wieder bei den Golfstaaten und in Afrika den Rohstoff ein, so wie vor dem Ukrainekrieg, als Lieferungen aus Russland gerade mal zwei Prozent der indischen Ölimporte ausmachten.

Doch das wäre teuer. Das Wachstum der indischen Wirtschaft, das in diesem und im laufenden Jahr nach Schätzung des Internationalen Währungsfonds jeweils 6,4 Prozent betragen dürfte und damit so hoch ausfällt wie in keiner anderen großen Volkswirtschaft auf der Welt, ist auf günstige Energie angewiesen. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass die indischen Aktienkurse seit den Hiobsbotschaften aus Washington in der vergangenen Woche bis zum Donnerstag um gerade einmal 1,8 Prozent gesunken sind, wenn man den Leitindex Nifty 50 zugrunde legt.

Die Antwort, heißt es von Händlern, liege in Neu Delhis Kalkül, dass Trump kein gutes Blatt auf der Hand habe: Sollte Indien kein Öl mehr aus Russland kaufen, werde kaum China in die Bresche springen und die zwei Millionen Barrel pro Tag zur Gänze übernehmen – schließlich wolle die Volksrepublik nicht noch abhängiger von einem einzigen Lieferanten werden, den Peking zwar verbal umgarnt, aber in Wahrheit seit jeher für unzuverlässig hält. In dem Fall würde jedoch der weltweite Ölpreis steigen, von derzeit 65 Dollar pro Barrel um möglicherweise ein Viertel. Dass in der Folge auch an den amerikanischen Tankstellen die Benzinpreise stiegen, wettet Indien, könne sich Trump gar nicht leisten.

Russland ist heute der größte Lieferant von Düngemitteln

Die Strafzölle gegen Indien haben Brasilien hellhörig gemacht. Dort befürchtet die Agrarindustrie, dass ihr Land noch weitere Vergeltungsmaßnahmen zu spüren bekommen könnte, da Brasilien Düngemittel aus Russland importiert. Laut der Zeitung „Folha de S. Paulo“ warnten Vertreter der Landwirtschaft das Außenministerium vor möglichen weiteren Sanktionen.

Russland ist heute der größte Lieferant von Düngemitteln nach Brasilien. Auch russischer Diesel fließt in beachtlichen Mengen nach Brasilien, dessen Regierung für seine pragmatische, wenn nicht sogar freundschaftliche Beziehung zu Moskau bekannt ist.

Noch mehr US-Strafzölle auf brasilianische Einfuhren sind eher unwahrscheinlich. Denn schon jetzt kann Brasilia sich nur allzu gut in die Situation Indiens einfühlen. Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas ist nämlich ebenfalls Strafzöllen von 50 Prozent auf ihre Ausfuhren in die USA ausgesetzt, die am Mittwoch in Kraft getreten sind. Allerdings ist der Hintergrund etwas komplexer. Im Falle Brasiliens war nicht der Handel mit Russland ausschlaggebend, sondern eine „Hexenjagd“. Als solche bezeichnet Trump den Strafprozess gegen seinen Freund, den früheren Präsidenten Jair Bolsonaro, der wegen versuchten Staatsstreiches vor Gericht und seit dieser Woche wegen Verstößen gegen gerichtliche Auflagen unter Hausarrest steht.

Und die EU?

Von Vergeltungsmaßnahmen sieht derzeit auch Brasilien ab, nicht zuletzt, weil die Erhebung von Zöllen auf Brasiliens US-Einfuhren nachteilige Auswirkungen auf die eigene Wirtschaft und die Inflation im Land hätte. Stattdessen sucht Präsident Luiz Inácio Lula da Silva das Gespräch mit seinen Partnern der BRICS-Gruppe, deren Vorsitz Brasilien bis Ende des Jahres innehat, um eine einheitliche Position unter den Schwellenländern gegenüber Aktionen der Trump-Regierung einzunehmen. Noch am Donnerstag wollte Lula mit seinem indischen Kollegen Modi sprechen. Auch beabsichtigt Brasilia, die Handelsbeziehungen mit Indien zu vertiefen.

Welche Reaktion eine Koordination der BRICS-Mitglieder bei Trump auslösen könnte, ist indes ungewiss. Trump hatte das Schwellenländer-Bündnis, dem seit dem vergangenen Jahr auch Länder wie Saudi-Arabien, Ägypten und Iran angehören, nach dem Gipfeltreffen in Rio de Janeiro vor einem Monat als „antiamerikanisch“ eingestuft und den Mitgliedern pauschal mit zehn Prozent Strafzoll gedroht.

Lula interpretiert Trumps Kritik an der BRICS-Gruppe als eine grundsätzliche Abneigung gegen den Multilateralismus. Trump wolle den Multilateralismus beenden, in dem Vereinbarungen kollektiv getroffen werden, sagte er am Mittwoch in einem Interview mit der Agentur Reuters. Trump wolle den Unilateralismus, damit er allein mit den einzelnen Ländern verhandeln könne. „Welche Verhandlungsmacht hat ein kleines Land gegenüber den Vereinigten Staaten? Keine.“

Um den gepredigten Multilateralismus vorzuleben, sucht Brasilien gleichzeitig das Gespräch mit der EU. Brasilia will das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur-Block vorantreiben. Der Deal werde noch vor Jahresende abgeschlossen, sagte Lula.