Northvolt: Batteriewunder am Horizont | FAZ

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Zuerst stand der Name Northvolt für die Hoffnung, in Europa eine klimafreundliche Batteriewirtschaft aufzubauen und damit unabhängiger von China zu werden. Seit März 2025 steht der Name Northvolt für die größte Insolvenz in der europäischen Industrie, Verlust von deutschem Steuergeld inklusive: Schulden von 9 Milliarden Euro hatte das schwedische Start-up an­gehäuft, die Realisierung der Batteriepläne war in weite Ferne gerückt. Jetzt hat sich Lyten als Retter für Northvolt in Position gebracht. Das Unternehmen aus dem Silicon Valley hat Lithium-Schwefel-Batterien entwickelt, die eine hohe Reichweite und kurze Ladezeiten versprechen.

„Aus Verzweiflung wird Hoffnung“, fasste Schwedens Energie- und Wirtschaftsministerin Ebba Busch die Gemütslage am Northvolt-Unternehmenssitz in Skellefteå am Freitag zusammen. Sogar von einem „Lichtblick in dunklen Zeiten“ sprach sie, die geplante Zu­sammenarbeit im strategisch bedeutsamen Batteriesektor wäre auch gut für die transatlantischen Beziehungen. Bei allem Über­schwang verwies die stellvertretende Ministerpräsidentin aber auch auf die verbleibenden Unsicherheiten: „Es liegt noch ein weiter Weg vor uns.“

Ein Kaufvertrag zwischen Lyten und dem Northvolt-Insolvenzverwalter Mikael Kubu sieht die Übernahme der schwedischen Produktionsstandorte und Forschungslabore vor – und auch der „Northvolt Drei“ genannten Fabrikbaustelle in Heide nördlich von Hamburg. Dort wurden schon Hunderte Millionen Euro für Erdarbeiten, Straßenbau und Strom­versorgung, für einen 5 Kilometer langen Zaun ums Werk und eine temporäre Autobahnausfahrt vergraben. Insgesamt geht es laut Lyten-Chef Dan Cook um Produktionskapazitäten von mehr als 30 Gigawattstunden, Pläne für eine Ausweitung auf 100 Gigawattstunden und das größte europäische Forschungs- und Entwicklungszentrum für Batterien in Västerås. Alles in allem habe dies einen Wert von 5 Milliarden Dollar, so Cook.

Wieviel Lyten tatsächlich zahlen wird für diese Northvolt-Überreste, ist noch völlig unklar. Dan Cook, der selbst im Jahr 2015 zu den Gründern von Lyten gehörte, sprach von den „fortschrittlichsten Batteriewerken“, die es verdient hätten zu überleben. Er lobte in den höchsten Tönen auch die Fortschritte, die von der verbliebenen Belegschaft gerade in den zurückliegenden Monaten noch erzielt worden seien: „Diese hart arbeitenden Menschen haben eine Reihe der Probleme gelöst, die Northvolt in diese Situation gebracht haben, nicht alle, aber einige von den großen Problemen.“ Auch Matthias Arleth, der vor einem Jahr als operativer Vorstand zu Northvolt gekommen war, berichtete von erheblichen Fortschritten, die mit der Rumpfmannschaft von 800 Beschäftigten zuletzt noch erzielt worden waren. Allerdings waren die Verzögerungen so groß und die Ausschussraten so hoch, dass die Geduld der Kunden überstrapaziert wurde. Im Juni 2024 wurde bekannt, dass BMW einen Auftrag über Batteriezellen für zwei Milliarden Euro storniert hatte.

„Viele Gläubiger werden sehr viel Geld verlieren“

Keine Einnahmen, aber hohe laufende Kosten: „Das Risiko einer kompletten Stilllegung war sehr real“, berichtete Mikael Kubu, der als Insolvenzverwalter das Unternehmen zu retten versuchte. Eine Stilllegung wäre einer riesigen Wertvernichtung gleichgekommen, machte er deutlich, fügte aber auch hinzu, dass die Übernahme durch Lyten wohl auch keine reine Erfolgsgeschichte werde. „Da wird es viele Gläubiger geben, die sehr viel Geld verlieren.“ Größte Anteilseigner von Northvolt waren Volkswagen und der Vermögensverwalter Blackrock . Seit der Gründung 2016 durch die früheren Tesla-Manager Peter Carlsson und Paolo Cerruti wurden 15 Milliarden Dollar an Finanzierungsmitteln eingesammelt, darunter ein „grünes Darlehen“ über fünf Milliarden Dollar, das von einem Konsortium aus zwei Dutzend Banken gewährt wurde, aber auch staatliche Förderungen in Milliardenhöhe.

Aus deutscher Sicht bangt man um die Subventionen, die schon geflossen sind, um in der strukturschwachen Region Dithmarschen eine Batteriefabrik zum Nu­kleus einer neuen Industrieansiedlung zu machen. Dabei geht es um zwei unterschiedliche Geldtöpfe: eine Förderung über 700 Millionen Euro, die gemäß dem befristeten Krisenrahmen für Transformationsprojekte (TCTF) durch die EU im vergangenen Jahr bewilligt, aber nicht ausbezahlt wurde. Zudem wurde eine Wandelanleihe über 600 Millionen Euro begeben. Über die Verwendung der Mittel aus dieser Anleihe wacht die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die bisher etwas über 300 Millionen Euro freigegeben hat.

„Der Staat verteilt Milliarden und hofft, dass es gut geht“

Trotz des Silberstreifs am Horizont in Heide ist noch lange nicht gesichert, dass das Steuergeld nicht verloren ist. Das Bundeswirtschaftsministerium von Katherina Reiche (CDU) wollte am Freitag noch keine Entwarnung geben. Dafür sei es zu früh, zunächst werde alles geprüft, hieß es. Der Industrieverband BDI und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIHK halten sich mit Einschätzungen ebenfalls zurück. Der Bund der Steuerzahler wird hingegen explizit. Er hält die Beihilfepolitik an sich für fragwürdig und ordnet den aktuellen Fall in andere Milliardensubventionen ein, etwa für die Chiphersteller. „Northvolt, Intel, TSMC und Co: Der Staat verteilt Milliarden und hofft, dass es gut geht“, sagte Steuerzahler-Prä­sident Reiner Holznagel der F.A.Z. „Das ist kein Zukunftskonzept, das ist Risiko auf Kosten der Zukunft. Subventionen dürfen nicht zur Dauerversicherung für einzelne Wirtschaftsakteure verkommen.“ Der mög­liche Einstieg der Amerikaner klinge zunächst nach einer guten Nachricht. „Doch unterm Strich muss klar sein, dass weitere staatliche Subventionszusagen auf Steuerzahlerkosten tabu sein müssen.“

Lyten-Chef Dan Cook wollte sich zu finanziellen Details nicht äußern, betonte aber, dass es eine Reihe von Millionären und Milliardären unter den Lyten-Geldgebern gebe. Vor kurzem hatte das Start-up berichtet, man habe weitere 200 Millionen Dollar eingesammelt, insgesamt seien es nun 625 Millionen Dollar. Vor zwei Jahren beteiligte sich der Autokonzern Stellantis (zu dem auch Opel gehört). Weitere Geldgeber sind Fed-Ex, Honeywell sowie der Baukonzern Walbridge Aldinger.

Lyten-Batterien kommen ohne Nickel, Kobalt und Mangan aus

Lyten hat Lithium-Schwefel-Batterien entwickelt, deren neuartige Graphen-Technologie für eine hohe Robustheit sorgt. Klassische Kathoden-Materialien wie Nickel, Kobalt und Mangan werden nicht eingesetzt, auch Graphit nicht. Das ist mit Blick auf die Unabhängigkeit von rohstoffreichen Lieferländern interessant. Schwefel wiederum ist ein Nebenprodukt vieler Industrien und leicht verfügbar.

Das Unternehmen ist ähnlich wie Northvolt allerdings erst im Aufbau einer Massenproduktion begriffen und lieferte bisher aus einer Fabrik im Silicon-Valley Batterien in kleiner Stückzahl für An­wendungen im Verteidigungsbereich. Dan Cook erwartet einen stark wachsenden Markt auch in den Bereichen Energie­sicherheit und KI-Rechenzentren. Im vergangenen Herbst hatte Lythen schon ein Northvolt-Werk im kalifornischen Cuberg gekauft und vor wenigen Wochen den Northvolt-Standort in Polen, wo stationäre Speicher entwickelt und hergestellt werden.