Die deutsche Finanzpolitik gibt Anlass zur Sorge. Zwar drohen keine französischen oder italienischen Verhältnisse, und ebenso wenig steht das AAA-Rating aktuell zur Disposition. Aber die starke Zunahme der Staatsverschuldung durch Sondervermögen, denen bisher keine ausgeprägte Bereitschaft der Bundesregierung zum Maßhalten im ordentlichen Haushalt entgegensteht, wird den Anteil der öffentlichen Schulden an der Wirtschaftsleistung in den kommenden Jahren spürbar zunehmen lassen. Daher erscheint es notwendig, frühzeitig auf ein Ende der finanzpolitischen Großzügigkeit zu drängen. Finanzpolitische Solidität liegt nicht nur unmittelbar im deutschen, sondern auch im europäischen Interesse. Denn die Bonität Europas hängt (zu) stark von der deutschen Bonität ab.
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium schlägt in einem lesenswerten Gutachten eine Reform der Schuldenbremse mit dem Ziel vor, das Verhältnis der Staatsverschuldung zur Wirtschaftsleistung zu stabilisieren. Die Betonung der Schuldenbremse als einer für finanzpolitische Solidität wichtigen Regel ist hochwillkommen in einer Zeit, in der die Schuldenbremse gerne als Verursacherin des Verfalls der öffentlichen Infrastruktur bezeichnet wird. Aber nicht nur in der Schweiz, auch in den Niederlanden befindet sich die Infrastruktur trotz einer niedrigeren Schuldenquote in einem besseren Zustand als in Deutschland.
Vielmehr haben deutsche Regierungen lange Zeit sozialpolitische Wohltaten gegenüber öffentlichen Investitionen bevorzugt. Beschwert haben sich die Wähler darüber nicht. Vielmehr haben die Menschen die staatlichen Leistungen entgegengenommen und gleichzeitig dem Verfall der Infrastruktur teilnahmslos zugesehen, bis Brücken vor ihren Augen zusammenbrachen. Heute haben schon immer alle gewusst, dass Bahn, Brücken und Bildung seit Langem darniederliegen. Die Schuldenbremse ist der falsche Sündenbock. Wahr ist vielmehr, dass gerade die Anwendung der Schuldenbremse in der Vergangenheit heute finanzpolitische Spielräume eröffnet, um die Deutschland von anderen europäischen Ländern beneidet wird.