2.000 Jahre alte Papyrus-Rollen sollen wieder lesbar werden

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Stand: 09.08.2025 06:45 Uhr

Vor 2.000 Jahren zerstörte der Ausbruch des Vesuvs auch eine große Bibliothek. Hunderte Papyrus-Rollen sind seitdem verkohlt, darunter wohl Schriften von Cäsar oder Cicero. Neue Techniken sollen sie wieder lesbar machen.

In Herculaneum, am heutigen Golf von Neapel, lagerten einst in einer Bibliothek hunderte Papyrus-Rollen. Beim Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr. verkohlten sie in einer Glut-Lawine und verklebten miteinander.

Heute sehen die Schriftrollen teilweise aus wie verbrannte Äste oder wie Kohle-Briketts. Doch der Informatiker Vincent Christlein von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist sich sicher: Er kann Texte aus der antiken Sammlung wieder lesbar machen. Der KI-Experte ist Teil des neuen internationalen Forschungsprojekts “UnLost”, das die zerstört geglaubten Papyrus-Rollen rekonstruieren möchte.

Micro-Computertomografie und KI

Die Forschenden wollen die zusammengerollten Schriftstücke virtuell entrollen. Dafür setzen sie unter anderem Micro-Computertomografen ein. Die Geräte “durchleuchten” die Schriftstücke in kleinstmöglicher Auflösung.

Das Ergebnis ist ein 3D-Bild, das anschließend mithilfe eines KI-Algorithmus analysiert wird. Diesen hat der KI-Experte Vincent Christlein zuvor mit Material aus gut erhaltenen Papyrus-Rollen “trainiert”. Die KI soll dann Schrift und Hintergrund möglichst klar unterscheiden. Im Optimalfall können die Papyrologen den Text dann lesen.

Laser und Röntgenstrahlen

Die Forschenden wollen aber auch andere Durchleuchtungsverfahren ausprobieren oder weiterentwickeln. So wird beim sogenannten photoakustischen Verfahren Papyrus mit kurzen Laserimpulsen bestrahlt. Die dabei entstehende Wärme erzeugt feine Ultraschallwellen, die Rückschlüsse auf darunterliegende Strukturen erlauben.

Außerdem wollen die Forscher ein radiologisches Verfahren einsetzen, das vor allem durch die Brustkrebs-Erkennung bekannt ist: die Tomosynthese, basierend auf Röntgenstrahlen.

“Ein Traum der klassischen Philologie“

“Das virtuelle Aufrollen ist ein Traum der klassischen Philologie und Papyrologie, den wir seit 20 Jahren geträumt haben”, meint der Papyrologe Kilian Fleischer von der Universität Tübingen. Mit dem neuen Forschungsprojekt könnte dieser Traum nun in Erfüllung gehen. “Im Grunde geht es um die Wiederentdeckung verloren geglaubten antiken Wissens und von Schriften in einem unglaublich großen Umfang.”

Der Papyrologe rechnet in der Bibliothek von Herculaneum mit Werken von bedeutenden antiken Schriftstellern wie Seneca, Cicero, Cäsar, weiteren Schriften von Epikur und seinen Schülern sowie mit bislang unentdeckten Werken stoischer Philosophen.

Hoffnung auf eine “zweite Renaissance”

Die Bibliothek in Herculaneum gilt als die einzige vollständig erhaltene Bibliothek der Antike mit überwiegend griechischen und lateinischen Texten, die in ihrem ursprünglichen Fundkontext entdeckt wurde. Schon vor 250 Jahren wurden schätzungsweise 800 bis 1.000 Rollen aus Herculaneum ausgegraben, erzählt der Papyrologe Kilian Fleischer.

Doch beim Versuch, diese mit den Händen aufzurollen, wurden viele Schriftstücke zerstört. Nun sind noch rund 600 Rollen übrig, die im Rahmen des Forschungsprojekts analysiert werden sollen. Fleischer schätzt, dass rund 300 von ihnen in den nächsten Jahren virtuell entrollt und lesbar werden könnten. “Wir hoffen auf eine zweite Renaissance”, meint der Papyrologe.