Mercedes, VW & Bosch: Auf der Autobahn ohne die Hand am Steuer

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Können die deutschen Autohersteller auch autonomes Fahren? Es kommt darauf an, welche Art von selbständigem Fahren der Autos gemeint ist: Geht es darum, in gewissen Situationen auf der Autobahn die Fahrt dem Auto zu überlassen, dann kann sich das Angebot vor allem von Mercedes, aber auch von BMW sehen lassen.

Das gängige Klischee, die Europäer seien wieder einmal von Chinesen und Amerikanern abgehängt, betrifft ein ganz anderes Marktsegment, das unter dem gleichen Begriff „autonomes Fahren“ einsortiert wird, aber ganz andere Fahrsituationen meint: Das Taxi ohne Fahrer in bestimmten Stadtvierteln, in denen jeder Stein vermessen wurde und komplizierte Fahrsituationen wie im Stadtverkehr von Neapel unwahrscheinlich sind. Mit diesem zweiten Fall hat etwa Volkswagen noch seine Mühe, probt seit Jahren mit der Tochtergesellschaft Moia in Hamburg, hat Hannover aufgegeben und ist noch nicht in Berlin oder Los Angeles angekommen.

Musk nimmt Opfer in Kauf

Wenigstens ist noch nichts über traurige und spektakuläre Unfälle mit deutschen Produkten bekannt geworden, wie sie im Gegensatz dazu immer wieder Tesla liefert. Denn Tesla-Chef Elon Musk liebt die großspurigen Ankündigungen und Anwendungen, will aber an teurer Radartechnik sparen und nur banalere Kameras in seine Autos einbauen. Damit kann er sich ausrechnen, mit dem autonomen Fahren eher die Rentabilitätsschwelle zu erreichen, er nimmt dafür aber Opfer in Kauf.

Deutsche Hersteller sind vorsichtiger, nutzen mehr Technik, doch die rentable Anwendung ist noch in weiterer Ferne. Und im Gegensatz zu kalifornischen Start-ups kann Volkswagen auf diesem Feld nicht einfach Milliarden verbrennen, bis Geld verdient wird.

„Drive Pilot“ und „Level 3“

Zugleich lohnt aber auch ein Blick auf das individuelle autonome Fahren. Da bietet Mercedes derzeit die schnellste Geschwindigkeit für ein selbst fahrendes Auto. Bis zu 95 Stundenkilometer darf ein Mercedes mit Ausstattung „Drive Pilot“ selbständig fahren, etwa eingereiht hinter einem Lkw, während der Fahrer ganz legal Mails lesen oder Kommentare tippen darf – nur schlafen ist nicht erlaubt, weil beim autonomen Fahren nach „Level 3“ der Fahrer noch in der Lage sein muss, schnell einzugreifen.

BMW ist noch nicht auf diesem Niveau angekommen. Der Konzern bietet aber die Möglichkeit, auch bei höherer Geschwindigkeit die Hände vom Lenkrad zu nehmen, das Auto selbständig überholen zu lassen, doch auf „Level 2+“ muss der Fahrer noch das Geschehen auf der Straße verfolgen.

Zwei Entwicklungen könnten nun Entwicklung und Verbreitung von autonomem Fahren auch in Europa beschleunigen: Softwareentwicklung könnte mittels Künstlicher Intelligenz einfacher werden, das versprechen gerade Bosch und die VW-Softwaretochtergesellschaft Cariad. Sie wollen nun bis zum Jahr 2026 eine neue KI-basierte Software-Architektur fertigstellen, die dann eine Verbreitung von autonomem Fahren in Autos aller Preiskategorien erschwinglich machen soll.

Zugleich ist in der neuesten Modellgeneration von Mercedes und BMW die Steuerung des Autos nicht mehr der Tradition folgend auf viele Module verteilt. Sie wird nun zentralisiert, wie schon von Tesla vorgemacht, und damit wird künftig das Aktualisieren der Autos mit neuer Software einfacher. Die Technik ist nicht mehr eingefroren am Zeitpunkt der Auslieferung aus der Fabrik.

Keine Spur vom europäischen Markt

Anerkennung für den Fortschritt deutscher Hersteller kommt aus anderen europäischen Ländern eher sparsam. Die französischen Konzerne Stellantis und Renault investieren wenig, die Erfolge sind eher dünn. Da zieht man es dann vor, über europäischen Rückstand zu klagen und damit auch die ungeliebte deutsche Konkurrenz herabzuwürdigen.

Vom viel beschworenen europäischen Markt gibt es ohnehin keine Spur: Die Genehmigung für autonomes Fahren im Mercedes gilt natürlich nur auf deutschen Autobahnen, bisher nicht auf dem italienischen oder französischen Hoheitsgebiet.