Malaysia baut Rechenzentren für den KI-Boom, aber reicht das Wasser?

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Malaysia wollte unbedingt ein Hub für Rechenzentren werden. Jetzt sind sie da, doch Kritiker befürchten, dass alles zu schnell und zu viel ist.

Ausserhalb der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur, werden Rechenzentren gebaut.

Ausserhalb der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur, werden Rechenzentren gebaut.

Sanjit Das / Bloomberg

Die Rechenzentren sehen aus wie normale Fabriken, bis man merkt, dass sie keine Fenster haben. Sie brauchen keine, denn drinnen arbeiten nur Prozessoren mit riesigen Datenmengen. Ein fensterloser Block nach dem anderen steht ganz im Süden Malaysias im Teilstaat Johor, wenige Kilometer von der Grenze zu Singapur entfernt. Viele weitere befinden sich im Bau, die rote Erde wird umgegraben.

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Die Welt braucht sogenannte Hyperscale-Rechenzentren. Nicht erst seit dem Siegeszug der künstlichen Intelligenz (KI), aber jetzt umso mehr – irgendwo müssen die Anfragen an die Chatbots verarbeitet werden. In den Hyperscale-Rechenzentren stehen Tausende Prozessoren, die enorme Datenmengen verarbeiten können. Die meisten dieser riesigen Zentren stehen in den USA und China. Geht es nach der malaysischen Regierung, stehen viele bald hier in Johor.

Laut den Analysten von DC Byte ist Johor der am schnellsten wachsende Markt für Rechenzentren in Südostasien. Als Kapazität von Rechenzentren wird die Strommenge angegeben, die sie benötigen und an ihre Prozessoren liefern. In Johor sollen in den kommenden Jahren Rechenzentren mit insgesamt 5790 Megawatt Leistung entstehen. Etwa 10 Prozent davon sind bereits einsatzfähig, die weiteren sind im Bau oder in der Planungsphase. Zum Vergleich: Die EU verfügt gesamthaft über Rechenzentren mit etwas über 10 000 Megawatt Leistung.

Ein junger Elektroingenieur, der an den Rechenzentren in Johor mitbaut, sagt: «Früher musste jemand wie ich nach der Universität nach Kuala Lumpur oder über die Grenze nach Singapur, um einen Job zu finden. Dank den Datenzentren kann ich jetzt zu Hause bleiben.» Er will lieber anonym bleiben, weil er seinen Arbeitgeber nicht um Erlaubnis gefragt hat für das Gespräch. Er erzählt, früher habe seine Firma etwa eineinhalb Jahre benötigt, um ein Rechenzentren zu bauen. Heute ist es noch ein Jahr, die Investoren wollen die Zentren am liebsten in sechs Monaten bauen.

Jahrelanges Lobbying

Der Aufstieg Malaysias zum Rechenzentren-Hub ist kein Zufall. Die Regierung hatte bereits vor über zehn Jahren einen Plan verabschiedet, um die Rechenzentren nach Malaysia zu holen. Jahrelang reisten malaysische Bürokraten an Konferenzen und fragten nach, welche regulatorischen Bedingungen Tech-Giganten wie Google und Amazon erfüllen müssten, um in Malaysia Rechenzentren zu bauen.

Auch andere südostasiatische Staaten wie Thailand versuchten die Rechenzentren-Firmen anzulocken. Keiner war aber so konsequent und so gut vorbereitet wie Malaysia. Mittlerweile hat Amazon ein Rechenzentrum in Malaysia, jenes von Google befindet sich im Bau. 101 Bewerbungen für Rechenzentren erhielt die Regierung allein im Jahr 2024.

Der Durchbruch für Malaysia kam 2019: Damals entschied Singapur, den Bau weiterer Zentren zu stoppen– man hatte nicht genug Platz für die riesigen Gebäude. Unternehmen suchten nach Alternativen in der Region und fanden Johor: Der Teilstaat grenzt direkt an Singapur, nicht wenige Singapurer betrachten ihn als ihren Hinterhof. Von Singapur verlaufen leistungsstarke Unterseekabel sowohl in den Westen als auch weiter in den Osten, nach China. Von den Rechenzentren in Johor werden jetzt Kabel hinunter nach Singapur verlegt.

Damals, als Singapur sein Verbot erliess, wurden Rechenzentren vor allem für Cloud-Lösungen benötigt – irgendwo mussten all die Daten, die Ferienfotos, die Firmendokumente gespeichert werden. Der jetzige Boom in Johor kam dank der künstlichen Intelligenz: Je mehr Menschen KI im Alltag gebrauchen, umso mehr Rechenkapazität wird benötigt.

Johor Bahru, die Hauptstadt des Teilstaates Johor, grenzt direkt an Singapur.

Johor Bahru, die Hauptstadt des Teilstaates Johor, grenzt direkt an Singapur.

Paul Miller / Bloomberg

Es gibt einen weiteren Grund, wieso Unternehmen ihre Hyperscale-Zentren gerne in Johor bauen: In den USA, China oder Europa stossen sie zunehmend auf Widerstand. «Der Ressourcenverbrauch ist schon enorm», sagt der junge Ingenieur.

Ong Chin Seong ist schon vor über dreissig Jahren in den Rechenzentren-Markt eingestiegen. Heute baut und betreut seine PWS Group mehrere Zentren rund um Kuala Lumpur. Das Geschäftsmodell sei noch immer das gleiche wie früher, erklärt er: Sein Unternehmen baut ein Zentrum und vermietet die Rechnerkapazität darin. Früher, sagt Ong, habe man die Kapazität der Zentren noch mit Quadratmetern gemessen und heute eben mit verbrauchtem Strom. Die Mieter fragen, wie viele Megawatt geliefert werden könnten. «Diese KI-Zentren, das sind Stromfresser», sagt Ong.

Das grösste geplante Rechenzentren-Cluster in Johor, gebaut von der Firma NTT, soll 290 Megawatt konsumieren. Das heisst nicht, dass es ständig 290 Megawatt Strom verbraucht, aber dies wäre die maximale Kapazität. Innerhalb eines Jahres verbraucht dieser Cluster ähnlich viel Strom wie eine mittelgrosse europäische Stadt mit einer halben Million Einwohnern.

Grossfirmen schlucken lokale Unternehmen

Ong besitzt Rechenzentren ausserhalb von Kuala Lumpur. Er ist hin- und hergerissen, einerseits erlebt seine Branche einen Boom. Und die Rechenzentren könnten gut sein für Malaysia, für die sogenannte digitale Infrastruktur. Es gibt potenziell viel Rechenkapazität für malaysische Startups und auch Jobs für junge Malaysier. Es fliessen gerade Milliarden Dollar ausländische Investments ins Land, allein in Johor sollen es im vergangenen Jahr 3,8 Milliarden Dollar gewesen sein.

Andererseits sei in den letzten zwei, drei Jahren wegen KI sehr viel in Bewegung, und es gehe gerade sehr schnell – malaysische Unternehmen wie seine würden von internationalen Grossunternehmen geschluckt. Die Regierung locke sie mit tiefen Steuern an, sie verspreche günstigen Strom. «Ich weiss nicht, wie lange ich als selbständiger Unternehmer in diesem Markt noch überleben kann.»

Die grossen Rechenzentren-Firmen kommen aus China und den USA – angesichts der geopolitischen Spannungen sei Malaysia so etwas wie ein neutraler Boden, alle seien willkommen, sagt Ong.

Und Ong kommt zu der Frage, die wahrscheinlich die dringendste ist, wenn es um die Rechenzentren in Malaysia geht: Profitiert Malaysia tatsächlich von ihnen? Ong sagt: «Stand jetzt bin ich nicht sicher.»

Da ist das Problem des Stromverbrauchs – er glaubt, man könne es mit guter Planung lösen. Die Regierung entwerfe bereits Pläne, um mehr Kapazitäten zu schaffen. Auch Platz gibt es genug. In Johor verschwinden gerade die riesigen Palmölplantagen und machen Platz für Rechenzentren. Aber entstehen im grossen Rahmen Arbeitsplätze? Beim Bau ja. Aber danach braucht man nur dreissig, vierzig qualifizierte Personen, um ein Zentrum zu betreiben. Die Prozessoren und elektrischen Komponenten werden nicht in Malaysia produziert, sondern importiert, und ihre Installation trägt nichts zur lokalen Wirtschaft bei. Chinesische Unternehmen importieren sogar die Bauelemente – sie werden verschifft und dann in Malaysia zu einem Rechenzentrum verschraubt.

Die Grundsteinlegung für ein Rechenzentrum ausserhalb von Kuala Lumpur.

Die Grundsteinlegung für ein Rechenzentrum ausserhalb von Kuala Lumpur.

Cheng Yiheng / Imago

Damit Malaysia profitiere, so Ong, müsse der Staat einen Weg finden, wie die investierten Milliarden tatsächlich dem Land zugutekommen. Er müsste zum Beispiel die Steuern für die Datenzentren erhöhen oder Regeln dafür erlassen, woher die Komponenten kommen sollen. Er glaubt, dass entsprechende Initiativen bereits diskutiert werden. Politiker und Beamte in Malaysia wollen derzeit nicht mit Medien über die Rechenzentren sprechen. Es gab in den vergangenen Wochen schlechte Presse wegen eines Korruptionsskandals: Ein Bauunternehmer flog auf, der Millionen von Dollar von Subunternehmern verlangt haben soll, damit sie beim Bau der Zentren mitprofitieren.

Reicht das Wasser?

Zayana Zaikariah forscht für das Institute of Strategic and International Studies zu Energie und Klima in Malaysia. Sie entschuldigt sich und sagt, es gebe noch nicht viele Daten zu den Rechenzentren in Malaysia. Sie kennt die Bedenken zum Stromverbrauch. Aber sie glaubt daran, dass die Zentren positiv sein könnten für Malaysias Ambitionen in der Digitalwirtschaft – «solange wir die Balance finden zwischen Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit für die Umwelt. Aber ich glaube, wir werden sie finden», sagt Zaikariah.

Die Umwelt ist die grösste Sorge der Kritiker der Rechenzentren. Einerseits der Strom, denn der Grossteil davon wird in Malaysia weiterhin mit Kohle produziert. Andererseits vor allem das Wasser.

Die Prozessoren müssen gekühlt werden. Neben den fensterlosen Blöcken in Johor stehen riesige Kühltürme. Die Hyperscale-Rechenzentren, die hier entstehen, fressen nicht nur Strom, sondern schlucken auch riesige Mengen an Wasser. «Wir können die Auswirkungen der Zentren noch nicht abschätzen, weil die meisten von ihnen erst im Bau sind», sagt Charles Santiago, der ehemalige Vorsitzende von Span, der nationalen Wasserkommission Malaysias.

Ein Rechenzentrum mit 100 Megawatt Kapazität benötigt pro Tag bis zu zwei Millionen Liter Wasser zur Kühlung. Oder, weniger abstrakt: Jede Frage an die KI kostet Wasser, Studien gehen von 2 bis 150 Millilitern aus, je nach Anbieter.

Sollten alle in Johor geplanten Rechenzentren tatsächlich realisiert werden, benötigten sie bis 2035 laut Santiagos Berechnungen täglich 440 Millionen Liter Wasser. Das wäre fast ein Viertel des gesamten Wasserverbrauchs des ganzen Teilstaats. Santiago fürchtet, dass Malaysia in ein paar Jahren merkt, dass die Rechenzentren der Bevölkerung das Wasser wegnehmen.

Denn: Die Rechenzentren in Malaysia werden vorwiegend mit Trinkwasser gekühlt. Es gebe keine Infrastruktur im Land, um zum Beispiel Regenwasser aufzubereiten, sagt Santiago. «In Malaysia kommt Wasser vorwiegend aus den Flüssen, von dort geht es an Aufbereitungsanlagen: Diese verteilen es an die Bevölkerung, an die Industrie, an die Landwirtschaft. Und jetzt kommt ein neuer Wettbewerber dazu, und es ist kein kleiner Wettbewerber.»

Hinzu kämen die Herausforderungen des Klimawandels – die Wasserreserven in Malaysia nähmen tendenziell ab, sagt Santiago. «Und unsere Bevölkerung wächst. Meiner Meinung nach haben wir nicht genug Wasser.»

Die malaysische Regierung will dieses Jahr ein Reglement verabschieden, das Rechenzentren zum nachhaltigen Wasser- und Stromverbrauch verpflichtet. Es ist unklar, ob es für bereits bewilligte Rechenzentren gelten wird.

«Malaysia wollte die Rechenzentren», sagt Santiago, «jetzt ist die Frage, ob wir mit ihnen umgehen können.»