Die schlechten Nachrichten aus der deutschen Wirtschaft reißen trotz der jüngsten Hoffnungsschimmer nicht ab. Das Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal leicht geschrumpft, der langersehnte Aufschwung wackelt, und Deutschlands wichtigste Industrie steckt in einer tiefen Krise: Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Mercedes meldeten jüngst drastische Gewinnrückgänge, Bosch weitet den Stellenabbau aus, der zweitgrößte Zulieferer ZF muss seinen Sparkurs ebenfalls verschärfen. Als wäre all das nicht schon genug, sind nun auch noch Trumps 15-Prozent-Zölle in Kraft getreten.
In dieser Situation kommt es auf die Führungskräfte so sehr an wie selten zuvor. Krisen hat es zwar immer schon gegeben, auch in der Corona-Pandemie und in der globalen Finanzkrise war das Management in den deutschen Unternehmen stark gefordert. Doch kommen zu der wirtschaftlichen Schwächephase und der Strukturkrise der deutschen Industrie noch weitere Herausforderungen von enormer Tragweite hinzu: die demographische Entwicklung, der von der konjunkturellen Lage zwar etwas überdeckte, aber nicht verschwundene Mangel an Fach- und Arbeitskräften und die gewaltigen Umwälzungen durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, die bei vielen Beschäftigten zu Verunsicherung führen.
Gute Führung ist entscheidend, um die Unternehmen durch diese Zeit zu steuern, und dabei geht es um viel mehr als um kurzfristige Sparziele und Effizienzsteigerungen: Es gilt, den Mitarbeitern Orientierung zu geben, Vertrauen zu schaffen und die Motivation hochzuhalten, um die Innovationskraft zu sichern und sogar gestärkt aus der Transformation hervorzugehen. Nach der aktuellen Umfrage der Beratungsfirma Gallup fühlen sich allerdings nur noch neun Prozent der Beschäftigten in Deutschland dem Unternehmen, in dem sie arbeiten, emotional stark verbunden. 78 Prozent machen lediglich „Dienst nach Vorschrift“.
Das Schlechteste, was man machen kann, ist nicht zu kommunizieren
Zugleich zeigt das Edelman Trust Barometer 2025, dass das Vertrauen der Menschen in ihren Arbeitgeber hierzulande deutlich gesunken ist. Veränderungen umzusetzen, für die es sehr stark auf das Engagement und die Lernbereitschaft der Mitarbeiter ankommt, ist unter diesen Voraussetzungen schwierig. Entsprechend groß ist die Aufgabe (auch) für die Führungskräfte.
Was also zeichnet gute Führung in der heutigen, sich stark wandelnden Arbeitswelt aus? Eine wesentliche Rolle spielt die Kommunikation, und das Schlechteste, was man machen kann, ist nicht zu kommunizieren. Das gilt selbst im Falle schlechter Nachrichten oder wenn man zu einem möglichen Stellenabbau oder Sparprogramm noch nicht viel sagen kann. Mitarbeiter wollen wissen, wie es dem Unternehmen geht und was auf sie zukommt. Sie erwarten gerade in schwierigen Phasen regelmäßig ein Update. Das Topmanagement sollte dabei auch im Blick haben, das mittlere Management frühzeitig einzubinden, denn die Team- und Abteilungsleiter sind meist diejenigen, die Entscheidungen der Unternehmensspitze umsetzen müssen.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Resilienz. Unternehmen und ihre Führungskräfte müssen in der Lage sein, auf neue Herausforderungen flexibel zu reagieren, Rückschläge zu überwinden und Veränderungen proaktiv zu gestalten – hier gibt es in Deutschland noch Nachholbedarf. Zudem müssen sie die Resilienz ihrer Mitarbeiter stärken. Studien zeigen, dass resiliente Beschäftigte besser in der Lage sind, sich an neue Gegebenheiten anzupassen. Nach einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) verspüren sie zudem eine höhere Arbeitszufriedenheit, liefern eine bessere Arbeitsleistung ab und haben weniger Fehlzeiten.
Drittens brauchen Führungskräfte einen guten moralischen Kompass; Forscher sprechen von einer „werteorientierten Führung“. Gemeint sind Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Respekt, aber auch soziale, ökologische und ökonomische Verantwortung. Das Vertrauen der Mitarbeiter zu ihren Vorgesetzten spielt ebenfalls eine große Rolle, wofür wiederum eine möglichst transparente Kommunikation wichtig ist: Führungskräfte müssen erklären, welche Veränderungen warum notwendig sind, wie zentrale Herausforderungen angegangen werden, und dabei auch emotionale Stabilität bieten. Die positiven Effekte einer werteorientierten Führung ähneln, wie das IW schreibt, denen der Resilienz. Was Führung leisten und wo sie besser werden muss, ist klar. Jetzt müssen die Chefs liefern.