„Welt“-Meinungschefin kündigt wegen Gastbeitrags von Elon Musk

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Ein Meinungsartikel von Elon Musk, den die „Welt am Sonntag“ an diesem Wochenende veröffentlicht, hat zu Turbulenzen in der Redaktion geführt. Gegen die Publikation des Textes, in dem Musk erklärt, warum er die AfD für Deutschlands „Rettung“ hält, sprach sich eine ganze Reihe von Mitgliedern der Redaktion aus, die Meinungschefin Eva Marie Kogel warf sogar ihren Job hin. Die Chefredakteure verteidigen die Publikation, bei welcher der neue Chefredakteur der „Welt“-Gruppe, Jan Philipp Burgard, Musk in einem Pro und Kontra widerspricht.

„Ich habe immer gerne das Meinungsressort von ,Welt‘ und ,WamS‘ geleitet“, teilte Eva Marie Kogel am Samstagmorgen in einem Tweet auf Musks Plattform X mit. „Heute ist in der ,Welt am Sonntag‘ ein Text von Elon Musk erschienen. Ich habe gestern nach Andruck meine Kündigung eingereicht.“

Musk preist die AfD als „letzten Funken Hoffnung“

In dem Text, der die Meinungschefin Kogel bewog zu kündigen, schildert Elon Musk die Lage der Bundesrepublik in düstersten Farben. „Deutschland steht an einem kritischen Punkt“, schreibt Musk, „seine Zukunft taumelt am Rande des wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs. Als jemand, der bedeutende Investitionen in die deutsche Industrie- und Technologielandschaft getätigt hat, glaube ich, dass ich das Recht dazu habe, offen über seine politische Ausrichtung zu sprechen. Die Alternative für Deutschland (AfD) ist der letzte Funke Hoffnung für dieses Land.“

„Wirtschaftliche Wiederbelebung“, „Zuwanderung und nationale Identität“, „Energie und Unabhängigkeit“, „politischer Realismus“ und „Innovation und Zukunft“ nennt Musk als Punkte, die für die AfD sprächen. „Die AfD kann Deutschland davor bewahren, ein Schatten seines früheren Selbst zu werden. Sie kann das Land in eine Zukunft führen, in der wirtschaftlicher Wohlstand, kulturelle Integrität und technologische Innovation nicht nur Wunschvorstellungen, sondern Realität sind. Deutschland hat es sich in der Mittelmäßigkeit zu bequem gemacht – es ist Zeit für mutige Veränderungen, und die AfD ist die einzige Partei, die diesen Weg eröffnet.“

Die „Darstellung der AfD als rechtsextrem“ sei „eindeutig falsch, wenn man bedenkt, dass Alice Weidel, die Vorsitzende der Partei, eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka hat! Klingt das für Sie nach Hitler?“ Alice Weidel verbreitet Musks Beitrag auf X kommentarlos portionsweise weiter, die Zitate jeweils mit AfD-Logo hinterlegt.

Für die Partei hatte sich der Chefberater des künftigen US-Präsidenten Donald Trump in einem Tweet zuvor ausgeprochen, Bundeskanzler Olaf Scholz hatte er als „inkompetenten Idioten“ bezeichnet und sich auf seiner Plattform, die er im US-Wahlkampf zum Werkzeug für Trump gemacht hatte, in die deutsche Politik eingemischt.

„Welt“-Chef Burgard hält dagegen

In einem zweiten Meinungsbeitrag hält der neue Chefredakteur der „Welt“-Gruppe, Jan Philipp Burgard, der seinen Job am 1. Januar antritt, dagegen und erklärt, „warum Elon Musk sich irrt“. Recht habe Musk, „wenn er unser Land wirtschaftlich und kulturell in der Krise sieht. Die verfehlte Migrations-, Energie- und Sozialpolitik der Merkel-Ära und der Ampel-Koalition haben unseren Wohlstand in Gefahr gebracht“, urteilt Burgard. Der „Therapieansatz, nur die AfD könne Deutschland retten“, sei aber „fatal falsch“.

Musk scheine „den geopolitischen Rahmen zu übersehen, in dem die AfD Deutschland positionieren will. Die AfD hält einen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union laut Wahlprogramm ,für notwendig‘. Für die Exportnation Deutschland wäre das eine Katastrophe. Mehr als die Hälfte aller deutschen Exporte gehen in den europäischen Binnenmarkt.“ Die AfD suche „die Annäherung an Russland. Eine Verurteilung des Angriffskrieges gegen die Ukraine“ suche man im Wahlprogramm vergeblich. Auch für China finde die AfD „freundlichere Worte als für die USA“. In der Migrationspolitik irllichtere die Partei „mit unrealistischen Remigrationsplänen für Millionen Menschen“ und agiere fremdenfeindlich. Wenn Musk „die Einordnung der AfD als rechtsextrem für ,eindeutig falsch‘ halte, mache er „einen kapitalen Fehler. Die AfD ist eben nicht nur Alice Weidel, sondern auch Björn Höcke“. Die AfD sei „keineswegs ,der letzte Funke Hoffnung für dieses Land‘“, wie Musk schreibe. „Sie ist eine Gefahr für unsere Werte und unsere Wirtschaft“, schreibt Burgard.

Das dergestalt inszenierte Pro und Kontra gefällt in der Redaktion indes nicht jedem. Der Fachdienst „Medieninsider“ berichtet unter der Überschrift „Elon Musk hebt die Welt aus ihren Angeln“, der Redaktionsausschuss der „Welt“ habe vor den Weihachtstagen gegen die Publikation eine Protestnote formuliert. Musks Text sei eine „als Gastbeitrag getarnte Wahlwerbung für die in Teilen“ als gesichert rechtsextrem geltende AfD. Ohne eine vorherige intensive Diskussion in der Redaktion sei eine solche Veröffentlichung nicht tragbar. Sollte sie erfolgen, distanziere man sich davon. Heftig diskutiert wurde dann am Freitag. Der Artikel von Elon Musk erschien.

Der noch amtierende Chefredakteur der „Welt“-Gruppe, Ulf Poschardt und sein Nachfolger Jan Philipp Burgard verteidigen das Vorgehen in einer gemeinsamen Stellungnahme, die der F.A.Z. vorliegt: „Die aktuelle Diskussion um den Text von Elon Musk“ sei „sehr aufschlussreich. Demokratie und Journalismus leben von Meinungsfreiheit.“ Dazu gehöre es, sich mit polarisierenden Positionen auseinanderzusetzen und diese journalistisch einzuordnen. „Das wird auch künftig den Kompass der ,Welt’ bestimmen. Wir werden ,Die Welt’ noch entschiedener als Forum für solche Debatten entwickeln“, so die Chefredakteure.