Viele Deutsche wollen Tiktok verbieten

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Die Debatte um die Kurzvideoplattform Tiktok hat auch Deutschland erreicht. Eine einfache Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist dafür, die App hierzulande zu verbieten. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Appinio im Auftrag der deutschen Social-Media-Plattform „nebenan.de“ hervor, die der F.A.S. vorliegt. 38 Prozent sprechen sich demnach für ein Verbot aus, 33 Prozent sind dagegen. Allerdings gab mit 29 Prozent auch ein erheblicher Anteil an, unentschieden zu sein.

Tiktok steht derzeit so sehr im Kreuzfeuer der Kritik wie lange nicht mehr. In den Vereinigten Staaten könnte die App nach dem 19. Januar verboten werden, wenn sich Tiktok bis dahin nicht von seiner chinesischen Muttergesellschaft Bytedance abspaltet – sofern der Oberste Gerichtshof das Gesetz nicht noch kippt. Die Europäische Kommission hat ein Verfahren gegen Tiktok eingeleitet, nachdem ausländische Akteure die rumänische Präsidentschaftswahl manipuliert haben sollen.

Die inzwischen annullierte Wahl hatte im Dezember ein Außenseiter-Kandidat gewonnen, der vor allem auf Tiktok Wahlkampf betrieben hatte. Derweil hat die Regierung Albaniens Tiktok gerade für ein Jahr gesperrt. Auslöser dafür war der Tod eines Vierzehnjährigen. Jugendliche hatten sich auf der Plattform zu einer Messerstecherei verabredet, die für den Jungen tödlich endete. In Indien ist Tiktok bereits seit dem Jahr 2020 verboten.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.


Besonders die älteren Deutschen unterstützen ein Verbot der Video-App: Unter den 55- bis 65-jährigen Teilnehmern der Umfrage sprachen sich 42 Prozent für ein Verbot aus. Groß sind die Unterschiede zwischen den Generationen aber nicht. Unter den 16- bis 24-Jährigen ist es immer noch mehr als ein Drittel, das ein Verbot befürwortet. Die jüngste Alterskohorte ist die einzige, in der eine relative Mehrheit gegen ein Verbot ist, allerdings nur knapp.

Mehrheit für Altersbeschränkung

Überwältigenden Anklang findet derweil unter den Befragten das Vorbild Australiens, wo das Parlament vor Kurzem eine Altersbeschränkung für die Nutzung sozialer Medien wie Tiktok und Instagram beschlossen hat. 87 Prozent sind dafür, dass soziale Medien einer Altersbeschränkung unterliegen sollten. Gut die Hälfte spricht sich für eine Altersgrenze von 16 Jahren aus, wie sie Australien eingeführt hat, ein Fünftel sogar für eine Nutzung erst ab 18 Jahren. Bisher erlauben alle großen Plattformen die Nutzung ab 13 Jahren, es gibt aber keine Verifikation des Alters, das Nutzer bei der Registrierung selbst angeben. Tiktok hat nach eigenen Angaben allein im 2. Quartal 2024 mehr als 20 Millionen Profile entfernt, deren Nutzer mutmaßlich unter 13 Jahre alt sind.

Generell zeigt sich in der Umfrage eine große Skepsis gegenüber den sozialen Medien. 88 Prozent der Befragten meinten, dass diese insgesamt stärker reguliert werden sollten. Eine Mehrheit glaubt jeweils, dass sich die Netzwerke negativ auf die gesellschaftlichen und politischen Ansichten der Nutzer, auf das Konsumverhalten und auf die psychische Gesundheit auswirken. Knapp weniger als die Hälfte sehen auch negative Auswirkungen auf das Sozialleben.

Bei keiner anderen Plattform finden die Befragten diese Konsequenzen so bedenklich wie bei Tiktok, aber auch bei Instagram, Snapchat, X, Twitch und Facebook überwiegen die Bedenken. Lediglich Youtube findet eine Mehrheit eher nicht bedenklich. Youtube ist zugleich die Plattform, von der mit Abstand die meisten angeben, sie regelmäßig zu nutzen.

Philipp Witzmann, Geschäftsführer der Online-Nachbarschaftsplattform „nebenan.de“, fordert angesichts dieser Ergebnisse eine „funktionierende Regulierung“ für soziale Medien. Die Menschen würden sich wünschen, „dass die Politik sie schützt“. Ein großer Teil der sozialen Netzwerke sei „auf Abhängigkeit, auf maximales Verweilen der User optimiert“.