Sein Vorschlag zur Wiedereinführung des Karenztages, nach dem Arbeitnehmer für den ersten Krankheitstag keine Lohnfortzahlung erhalten, beschäftigt die deutsche Öffentlichkeit. Der Vorstandsvorsitzende der Allianz, Oliver Bäte, stößt auch in seinem Versicherungskonzern auf Ablehnung. Auf Anfrage der F.A.Z. äußert sich die Konzernbetriebsratsvorsitzende Gabriele Burkhardt-Berg kritisch: „Aus Sicht des Konzernbetriebsrats der Allianz ist ein Einschnitt in die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sicher keine Lösung, um Mitarbeitende gesund zu erhalten“, antwortete die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns. Für sie ist ein solcher Einschnitt „bestimmt nicht die Lösung, die Krankheitskosten zu reduzieren“. „Wir sind mit der Konzernleitung im Gespräch, um die Situation für unseren Konzern zu analysieren“, fügte Burkhardt-Berg hinzu.
Noch schärfer formuliert die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG) ihre Kritik: „Die Arbeitsbedingungen, für die die Vorstände verantwortlich sind, tragen zu Krankheiten bei, die dann von den Beschäftigten selbst bezahlt werden sollen“, erklärte die NAG-Vorsitzende Gaby Mücke. Die NAG versteht sich als Gewerkschaft für Versicherungsangestellte und versucht derzeit im Allianz-Konzern Fuß zu fassen.
Mit Blick auf die Rekordgewinne der Allianz in den vergangenen Jahren kritisiert die NAG, dass die Dividenden immer weiter steigen und die Vorstandsbezüge in den vergangenen Jahren nicht nur in der Allianz zweistellige Zuwachsraten erfahren haben, während die Belegschaften der Versicherungswirtschaft mit einem massiven Reallohnverlust konfrontiert sind. „Auf diesen Reallohnverlust will Herr Bäte nun noch Lohnkürzungen für Kranke draufsatteln, um die Milliardengewinne, die Aktionärsdividenden und die Vorstandsbezüge weiter zu steigern“, kritisiert die NAG-Vorsitzende.
„Alles tun, um Krankheitsstände zu senken“
Dagegen hat die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) Verständnis für Bätes Vorschlag: „Wir müssen grundsätzlich alles dafür tun, die derzeit hohen Krankheitsstände in Deutschland zu senken“, erklärte VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Nach seinen Angaben sind hierzulande Arbeitnehmer im Durchschnitt an 20 Arbeitstagen krank geschrieben. Im EU-Durchschnitt sind es acht Krankheitstage. Die Wiedereinführung des Karenztages kann für Brossardt eine geeignete Maßnahme sein, um die Krankheitstage zu senken. Flankierend seien eine Verstärkung der Aktivitäten im betrieblichen Gesundheitsmanagement und die Abschaffung der telefonischen Krankschreibung nötig.
Für Bäte hemmen die vielen Krankheitstage die Produktivität in Deutschland. In Schweden, Spanien oder Griechenland tragen die Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag. Bäte sieht in Deutschland ein Sparpotential von bis zu 40 Milliarden Euro, wenn die Krankheitsfortzahlungen von Arbeitgebern und Krankenkassen in Richtung des EU-Durchschnitts von 3,5 Prozent der Sozialausgaben sänken. Derzeit liegen sie in Deutschland bei sechs Prozent.