Wie ein ICE durchs Gehirn

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Drogen

Wie ein ICE durchs Gehirn – Der rasche Aufstieg von Crack

Aktualisiert am 20.11.2024Lesedauer: 4 Min.

Crack-Süchtige in FrankfurtVergrößern des Bildes

Crack ist in vielen deutschen Großstädten angekommen. (Quelle: Boris Roessler/dpa/dpa-bilder)

Crack gilt als besonders gefährlich und breitet sich schnell in Deutschland aus. Das macht sich vor allem in den Großstädten bemerkbar. Wie konnte es dazu kommen – und was sind mögliche Lösungen?

Crack ist in den deutschen Großstädten angekommen. Mit den neuen Herausforderungen für Konsumierende, Kommunen und die Drogenhilfen beschäftigt sich Experten auf einer Fachtagung in Frankfurt. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Crack wird auf Kokainbasis, oft vermischt mit Backpulver, hergestellt. Die weiß-gelblichen Kristalle werden erhitzt, bevor sie meist mit einer Pfeife geraucht werden. Der Name Crack bezieht sich auf das knackende Geräusch, das dabei zu hören ist. “Es ist eine Potenzierung des Kokainrausches. Die Droge hat ein enormes Suchtpotenzial – und das macht sie so gefährlich”, sagt Drogenexperte Heino Stöver von der Frankfurt University of Applied Sciences. Man erfahre viel stärker als bei Kokain eine enorme Euphorie, die aber nur Minuten andauere und dann in eine Dysphorie zurückfalle – die in etwa das Gegenteil ist. Die Euphorie würden viele als “einen ICE-Zug durchs Gehirn” beschreiben und das sei etwas, was sie schnell wiederholen wollten.

Crack hat sich in den vergangenen Jahren massiv verbreitet. “Man kann sagen, dass Crack in fast jeder größeren Großstadt in Deutschland angekommen ist. Und das ist sehr besorgniserregend”, sagt Stöver. Bis vor einigen Jahren habe es eigentlich nur in Hamburg, Frankfurt und Hannover eine Szene gegeben. “Doch seit sieben, acht Jahren merken wir in vielen anderen Städten, dass der Crack-Konsum dort Einzug gehalten hat, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität” – sei es in Köln, Düsseldorf, Dortmund, Bremen oder München.

Auch Raphael Schubert von der Drogenhilfe Fixpunkt Berlin beobachtet einen enormen Anstieg von Crack-Konsum in der Hauptstadt. Ein Beispiel: In einem Konsumraum im Stadtteil Kreuzberg lag der Anteil von Crack an allen dort eingenommen Drogen im Jahr 2020 bei 12 Prozent, wie er berichtet. Im vergangenen Jahr waren es dagegen knapp 60 Prozent.

Das hat auch mit dem riesigen Angebot zu tun. Laut Bundeskriminalamt wurden 2023 rund 43 Tonnen Kokain sichergestellt, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einer “Kokainschwemme”. Und Frankfurts Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) betont: “Die Straßen in unseren Städten werden gerade mit Drogen geschwemmt. Crack breitet sich rasend schnell in ganz Europa aus.”

“Es bilden sich wieder offene Szenen mit großen Verelendungserscheinungen. Das ist vielerorts nicht mehr zu übersehen”, sagt Stöver. “Was wir bisher eigentlich nur so massiv aus den USA in den 90er Jahren kannten, hat jetzt hier Einzug gehalten.” Der hohe Suchtdruck von Crack bestimme schnell den Alltag, sagt auch der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD). “Die Betroffenen vernachlässigen schnell ihre Grundbedürfnisse, verwahrlosen in kürzester Zeit und verlieren vielfach ihre Wohnung.”

Zu sehen ist das etwa im Frankfurter Bahnhofviertel. Dort ist Crack längst die dominierende Droge. “Mit massiven Auswirkungen: Während Heroin eher beruhigt, putscht Crack innerhalb weniger Sekunden auf und macht mitunter sogar aggressiv”, sagt Voitl. Und die Drogenhilfe habe es wiederum mit einer ganz veränderten Situation zu tun, “mit völlig ruhelosen und aufgeputschten Klienten, die eben eine ganz neue Ansprache und sehr niedrigschwellige Hilfe brauchen.” Nicht zuletzt löse der Konsum ganz neue offene Szenen aus, die unsere Städte veränderten und die auch immer mehr Konflikte im öffentlichen Raum provozierten.

“Crack ist und bleibt erst mal eine Straßendroge”, sagt Wissenschaftler Stöver. Im Gegensatz zum Kokain sei sie nicht in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen. Nach seiner Einschätzung konsumieren Crack größtenteils Männer – überwiegend im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt, “die bereits in der Drogenszene unterwegs waren und dann auf Crack kamen”. Die Deutsche Aidshilfe weist darauf hin, dass die Crack-Szene in Berlin und anderen Städten von Migranten geprägt sei, die mitunter erst kürzere Zeit in Deutschland seien.