Bidens außenpolitisches Vermächtnis

16

Eine Woche vor der Amtsübergabe an Donald Trump hat der amerikanische Präsident Joe Biden selbstbewusst außenpolitisch Bilanz gezogen: In einer Rede vor Diplomaten im State Department in Washington sagte er am Montag, er hinterlasse ein Amerika mit mehr Freunden und stärkeren Bündnispartnern als vor vier Jahren – sowie Gegnern, die unter Druck seien.

Ohne die „America-first“-Politik seines Nachfolgers zu erwähnen, hob er hervor, er sehe sein Land im internationalen Wettbewerb weit vorn. „Es ist ein harter Wettbewerb im Gange. Es geht um die Zukunft der Weltwirtschaft, der Technologie, der menschlichen Werte und um vieles mehr“. Seiner Meinung nach gewinne Amerika diesen Wettbewerb. Im Vergleich zu 2021, als der Demokrat sein Amt antrat, stünden die Vereinigten Staaten nun besser da. „Unsere Bündnisse sind stärker, unsere Gegner und Konkurrenten sind schwächer. Und wir sind nicht in den Krieg gezogen, um diese Dinge zu erreichen“. Die „Quellen der nationalen Macht“ seien stärker als vor vier Jahren.

USA noch immer Weltmacht

Seit Jahren sei erwartet worden, dass China Amerika als stärkste Volkswirtschaft überhole. Das sei nicht geschehen. Trotzig fügte er hinzu: China „wird uns niemals übertreffen“. Auch die – gegen Peking gerichteten – Bündnisse im indopazifischen Raum seien gestärkt beziehungsweise neue geschaffen worden.

Mit Blick auf Russland und den Krieg in der Ukraine bemerkte Biden, Wladimir Putin habe keines seiner strategischen Ziele erreicht – nicht territorial und auch nicht, was eine Spaltung des Westens anbelange. Nicht Putin, sondern er, der amerikanische Präsident, habe im Zentrum von Kiew gestanden. Die Ukraine sei immer noch ein freies Land – auch dank der amerikanischen Militärhilfe. Das habe auch er erreicht – und dabei einen Atomkrieg mit Moskau vermieden. Die NATO sei fähiger als zuvor – und die Bündnispartner gäben mehr Geld für Verteidigung aus.

Mit einem Lächeln und großem Selbstbewusstsein hat Joe Biden eine Woche vor dem Ende seiner Amtszeit Bilanz seiner Regierung gezogen.
Mit einem Lächeln und großem Selbstbewusstsein hat Joe Biden eine Woche vor dem Ende seiner Amtszeit Bilanz seiner Regierung gezogen.AP

Geschwächt worden sei auch Iran nach dem schrecklichen Überfall der Hamas auf Israel, sagte Biden weiter. Washington habe eine Koalition zur Unterstützung Israels errichtet und den Druck auf Teheran mit Sanktionen aufrecht gehalten. Wie es um Russland und Iran stehe, zeige sich gerade in Syrien, wo beide Mächte ihren Verbündeten Bashar al Assad nicht an der Macht hätten halten können. Ihm, Biden, komme nicht allein das Verdienst der Schwächung Moskaus und Teherans zu. Dazu hätten beide auch selbst beigetragen. Dann erwähnte er – mit Blick auf Iran – den Beitrag Israels. Seinen Konflikt mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erwähnte er nicht. Biden hatte nicht nur immer wieder dessen unverhältnismäßiges militärisches Vorgehen im Gazastreifen kritisiert, sondern auch die Operationen gegen die proiranische Hizbullah in Libanon. Netanjahus Operation gegen die Hizbullah enthauptete aber die Miliz und warf sie militärisch zurück, was ganz wesentlich zum Sturz Assads beitrug. Diese nicht unerheblichen Details spielten in Bidens Bilanz keine Rolle.

Waffenruhe in Gaza in „greifbarer Nähe“

Was die Geisel im Gazastreifen anbelangt, sagte Biden, im Krieg zwischen Israel und der Hamas stehe man kurz davor, „dass ein Vorschlag, den ich vor Monaten ausführlich dargelegt habe, endlich verwirklicht wird“. Sein Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte zuvor schon geäußert, eine Einigung könne „noch in dieser Woche zustande kommen“. Er fügte aber hinzu: „Ich mache keine Versprechungen oder Vorhersagen, aber es ist in greifbarer Nähe, und wir werden uns dafür einsetzen.“ Skeptisch reagierte Sullivan auf Trumps Drohungen gegen die Hamas. Der künftige Präsident hatte gesagt: „Im Nahen Osten wird die Hölle losbrechen, und das wird nicht gut für die Hamas sein, und es wird – offen gesagt – für niemanden gut sein“, wenn die entführten Geiseln nicht bis zu seiner Amtseinführung am 20. Januar zurück seien.

Sullivan bemerkte: „Wenn du Hamas bist, bricht seit 14 Monaten die Hölle über dich herein.“ Die Israelis hätten deren militärischen Strukturen zerschlagen, ihre oberste Führung ausgeschaltet und ihre militärischen Fähigkeiten in erheblichem Umfang zerstört. Sullivan: Die Israelis hätten sich also nicht zurückgehalten.

Für Biden wäre eine Freilassung der Geiseln, darunter amerikanische Staatsbürger, ein kleiner Erfolg zum Ende seiner auch außenpolitisch schwierigen Amtszeit. Eine Schmach erwähnte er in seiner Rede übrigens nur am Rande. Er sei der erste Präsident seit Jahrzehnten, der das Amt verlasse, ohne dass amerikanische Soldaten im Afghanistan-Krieg stünden, sagte er. Das Chaos, das den Abzug der amerikanischen Truppen vom Hindukusch begleitete, fand keine Erwähnung.