Nach einem Vierteljahrhundert Verhandlungen steht das Handelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten kurz vor dem Abschluss. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist nach Uruguay gereist. Am Freitag will sie auf dem Mercosur-Gipfel in Montevideo letzte politische Gespräche führen. Dass diese nicht erfolgreich sein werden, dürfte ausgeschlossen sein. Andernfalls hätte sich die Kommissionspräsidentin gar nicht erst auf den Weg über den Atlantik gemacht.
Selten war ein Abkommen wirtschaftlich wie politisch so bedeutend. Der Vertrag schafft mit 700 Millionen Menschen die größte Freihandelszone der Welt. Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft ist das ein Segen. Die Autobranche dürfte einer der Gewinner sein, wenn die Märkte von Argentinien, Brasilien, Bolivien, Paraguay und Uruguay geöffnet werden.
Protektionismus ist keine Lösung
Der Vertrag ist auch ein Bekenntnis zu freiem Handel und offenen Märkten in einer Zeit, in der Protektionismus immer neue Freunde gewinnt. Das ist die Botschaft an den designierten US-Präsidenten Donald Trump. Die Europäer werden ausweichen können, sollte er sie nach der Amtsübernahme am 20. Januar mit Zöllen überziehen.
Der Vertrag sendet überdies das Signal, dass die Europäer nicht mehr tatenlos zusehen, wie Peking seinen geopolitischen Einfluss ausbaut. Während die EU verhandelte, hat China seinen Anteil am Außenhandel der Mercosur-Staaten von zwei Prozent im Jahr 2000 auf 24 Prozent erhöht. Der Anteil der EU ging in demselben Zeitraum von 31 auf 15 Prozent zurück. Sich diese Gelegenheit zum Abschluss entgehen zu lassen wäre fatal (gewesen).
Von der Leyen musste sich deshalb über den Widerstand des französischen Präsidenten Macron – trotz oder wegen dessen Schwäche nach dem Sturz der Regierung in Paris? – hinwegsetzen. Die Sorgen der Landwirte in Frankreich und anderswo in der EU vor der neuen Konkurrenz aus Südamerika lassen sich nicht mit Protektionismus lösen. Dafür muss die EU andere Lösungen finden.