Alleinerziehende sollen gezielter unterstützt werden

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In rund 20 Prozent der Familien in Deutschland lebt nur ein Elternteil mit seinen Kindern zusammen. Die Lage dieser Familien auszuleuchten und zu verbessern ist Ziel des zehnten Familienberichts, den das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin verabschiedet hat. Die Zahl der Alleinerziehenden ist dem Bericht zufolge gestiegen: von 1,5 Millionen im Jahr 2021 auf 1,7 Millionen im Jahr 2023. Der Anteil der Väter unter ihnen ist auf 18 Prozent angewachsen.

Die Rahmenbedingungen für Alleinerziehende seien „nach wie vor nicht gut“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). So sind alleinerziehende Mütter besonders oft von Armut betroffen. Und in jeder vierten Trennungsfamilie haben die Kinder keinen Kontakt mehr zum zweiten Elternteil, in jeder zweiten übernachten sie nie bei ihm – meist ist das der Vater.

Verfasst hat den Bericht eine unabhängige Sachverständigenkommission. Ihre Empfehlungen zielen darauf ab, Eltern für den Fall einer Trennung zu stärken. Michaela Kreyenfeld, Soziologie-Professorin und Vorsitzende der Kommission, sagte der F.A.Z., in den vergangenen Jahren sei viel für Gleichberechtigung in Beziehungen getan worden. „Jetzt muss noch mehr für Gleichberechtigung nach der Trennung getan werden.“ So müsse die Ganztagsbetreuung weiter ausgebaut und Familiengerechtigkeit in der Arbeitswelt gefördert werden. Das könne Frauen dabei helfen, ökonomisch eigenständig zu sein.

Zu oft, so der Bericht, teilten Paare Erwerbsarbeit und Erziehung noch ungleich auf. Das rächt sich vor allem im Fall einer Trennung: Das Armutsrisiko für getrennt lebende Frauen mit Kindern ist dreimal so hoch wie das für Frauen in einer Beziehung. Obwohl getrennt lebende Frauen öfter erwerbstätig sind und mehr Stunden in der Woche arbeiten, sind sie oft auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen.

Auch im direkten Vergleich zu alleinerziehenden Vätern stehen die Mütter schlechter da. Ihr Armutsrisiko liegt laut Kreyenfeld 60 Prozent höher als das von alleinerziehenden Männern. Um dem entgegenzuwirken, empfehlen die Forscher – wie schon im neunten Familienbericht von 2021 – das Ehegattensplitting abzuschaffen.

Die Kommission empfiehlt außerdem, eine egalitäre Aufteilung der Betreuung zu fördern – etwa, in dem Mutter und Vater je drei individuelle Elternmonate zustehen. Auch diese Empfehlung stand schon im neunten Familienbericht. Eine gleichberechtigtere Betreuung in der Beziehung, so die Hoffnung, könne auch nach einer Trennung fortwirken. „Es darf nicht als ,normal‘ betrachtet werden, wenn Väter sich nach Trennung und Scheidung von ihrer Elternrolle zurückziehen“, heißt es im Bericht. Hier brauche es Aufklärungsarbeit. Beratungsangebote zu Partnerschaftskonflikten, Trennung und Erziehung sollten ausgebaut werden.

Außerdem fordert die Familienrechtskommission, sämtliche Familienformen in der Statistik und im Recht abzubilden. So galten bis 2005 nicht verheiratete Eltern in der Statistik als alleinerziehend. Das wurde reformiert. Bis heute aber wird sowohl als alleinerziehend erfasst, wer sich tatsächlich allein um ein Kind kümmert, als auch, wer sein Kind nur zu 50 Prozent betreut.

Deshalb ist unbekannt, wie viele getrennt lebende Eltern ihre Kinder im sogenannten Wechselmodell betreuen. Dasselbe gilt für das asymmetrische Wechselmodell, bei dem ein Kind zum Beispiel 35 Prozent der Nächte bei einem und 65 Prozent beim anderen Elternteil verbringt.

Das brachte die Bestandsaufnahme zum Thema laut Kreyenfeld an Grenzen. Hier fordert der Familienbericht nicht nur, die Statistik anzupassen, sondern auch das Familien- und das Unterhaltsrecht. Kreyenfeld formuliert es so: Es sei an der Zeit, Recht, Politik und Statistik an die gegenwärtigen Bedingungen anzupassen, „um mit den Lebensrealitäten von Familien Schritt zu halten und alle gut zu unterstützen“.

Familienministerin Paus verwies auf Erfolge wie die Erhöhung des Kindergelds und die Einführung eines Sofortzuschlags für Kinder. Silvia Breher, familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, widersprach dem. Viele der empfohlenen Maßnahmen seien „trotz der Versprechungen im Koalitionsvertrag von der SPD-geführten Bundesregierung in den letzten drei Jahren ausgeblendet“ worden, sagte sie der F.A.Z.

Die Ampelkoalition hatte sich einige familienpolitische Reformen vorgenommen. So sah ihr Koalitionsvertrag unter anderem vor, die Steuerklassen III und V abzuschaffen. Ehepaare sollten fortan automatisch in die Steuerklasse IV eingestuft werden, was zu einer gerechten Steuerlast führen sollte. Auch das Unterhaltsrecht sollte reformiert werden, um Regeln für das asymmetrische Wechselmodell zu schaffen. Dazu kam es bis zum Bruch der Ampel aber nicht mehr.