Mehr als 15 Monate nach Beginn des Gazakriegs hat Qatars Ministerpräsident Muhammad Bin Abdulrahman Al Thani eine Einigung zwischen Israel und der Hamas verkündet. „Dieser Deal wird uns hoffentlich Frieden bringen“, sagte er am Mittwoch auf einer Presskonferenz in Doha. Beide Seiten haben sich demnach auf eine Waffenruhe im Gazastreifen geeingt, die am Sonntag beginnen und in einer ersten Phase 42 Tage dauern soll. Zudem sollen im Gegenzug für palästinensische Häftlinge weitere Geiseln freigelassen werden.
Man habe lange auf diesen Moment hingearbeitet und werde die Umsetzung des mehrphasigen Plans genau begleiten, sagte Al Thani. „Wir erwarten, dass sich alle Parteien an die Vereinbarung halten.“ Es werde dafür ein von Ägypten, Qatar und den USA zusammengestelltes Komitee geben. Details der Vereinbarung würden in den kommenden Tagen veröffentlicht, wenn letzte Fragen geklärt seien.
Israels Kabinett muss zustimmen
Auch das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hatte zuvor mitgeteilt, es müssten noch letzte Details geklärt werden. Die Hamas äußerte, sie habe auf den von den Vermittlern vorgelegten Vorschlag „positiv reagiert“. Die indirekten Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien waren in Doha geführt worden.
In Israel muss das Kabinett einer Vereinbarung zustimmen. Präsident Yitzhak Herzog forderte die Minister am Mittwochabend auf, dies zu tun. Ein Zustimmung gilt als wahrscheinlich, auch wenn mindestens eine Partei aus Netanjahus Koalition angekündigt hat, sie zu verweigern. Israels Israels Oppositionsführer Jair Lapid dankte dem designierten amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem scheidenden Präsidenten Joe Biden. „Das ganze Land hält heute Nacht den Atem an“, sagte er.
Trump und Biden loben Einigung
Sowohl Trump als auch Biden versuchten, den Erfolg als den eigenen darzustellen. Trump hatte nicht einmal gewartet, bis die Einigung in Qatar verkündet worden war und behauptet, die „historische“ Vereinbarung sei nur durch seinen Sieg in der Präsidentenwahl möglich geworden. Präsident Biden wiederum sagte, die Vereinbarung werde „die Kämpfe in Gaza beenden, die sehr benötigte humanitäre Hilfe für palästinensische Zivilisten steigern und die Geiseln nach mehr als 15 Monaten in Gefangenschaft mit ihren Familien wieder vereinen“. Die Einigung sei unter anderem das Ergebnis „des extrem hohen Drucks“ auf die Hamas, aber auch ein Ergebnis der „hartnäckigen und akribischen amerikanischen Diplomatie“. Biden sagte, er sei zuversichtlich, dass die Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas halten werde.
Zunächst sollen 33 Geiseln freikommen
Die Waffenruhe soll zunächst für sechs Wochen gelten, sagte Qatars Ministerpräsident Al Thani. In dieser Zeit sollen 33 der Geiseln aus der Gewalt der Hamas freigelassen werden. Im Gegenzug sollen wie in einer vorigen Waffenruhe abermals palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen. Al Thani nannte hier zunächst aber keine Zahl. Ein israelischer Regierungsvertreter hatte zuvor von Hunderten Häftlingen gesprochen, die freikommen sollten.
Insgesamt werden nach israelischen Angaben im Gazastreifen noch 98 Verschleppte festgehalten, von denen mindestens 34 tot sein dürften. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, unter den Geiseln sei auch eine „niedrige zweistellige Anzahl von Personen mit Deutschlandbezug“. Parallel zu dem Austausch von Geiseln gegen Häftlinge soll die israelische Armee mit dem Abzug aus dem Gazastreifen beginnen.
In Phase zwei, über die laut Medienberichten ab dem 16. Tag nach Inkrafttreten der Waffenruhe verhandelt werden soll, dürfte es um die Freilassung der restlichen lebenden Geiseln sowie den weiteren Rückzug der israelischen Armee gehen.
In der dritten Phase sollen laut Biden die letzten Überreste getöteter israelischer Geiseln an ihre Familien zurückgegeben werden. Außerdem soll dann der Wiederaufbau im Gazastreifen beginnen.
Hunderte Lastwagen sollen Hilfsgüter liefern
Am wichtigen Grenzübergang Rafah zum Gazastreifen hatte sich Ägypten bereits auf eine mögliche Öffnung und auf neue Hilfslieferungen vorbereitet. Israels Armee hatte den Grenzübergang Rafah im Mai vergangenen Jahres auf palästinensischer Seite besetzt. Kurz darauf kamen über Rafah auch keine Hilfslieferungen aus Ägypten mehr an.
Israels Armee sollte sich Medienberichten zufolge nach und nach aus bewohnten Gebieten des Gazastreifens zurückziehen, zunächst aber nicht vom sogenannten Philadelphi-Korridor entlang der Grenze zu Ägypten. Israel befürchtet, dass die Hamas dort wieder Waffen in den Gazastreifen schmuggeln könnte. Die in den Süden des Küstenstreifens geflohenen Einwohner sollen sich wieder frei im Gazastreifen bewegen und unter internationaler Aufsicht in ihre Wohngebiete im Norden zurückkehren dürfen.
Einem CNN-Bericht zufolge soll es bei den Verhandlungen über die zweite Phase auch um ein Ende des Krieges gehen. Die Hamas habe Garantien der USA, Qatars, Ägyptens sowie der Türkei akzeptiert, dass Israel die Verhandlungen darüber fortsetzt, erfuhr das „Wall Street Journal“ aus Vermittlerkreisen.