Biden warnt in Abschiedsrede vor „Oligarchie“ in den USA

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Es war wohl das letzte Mal, dass die amerikanische Öffentlichkeit Joe Biden so sah: als Präsident der Vereinigten Staaten, hinter dem schweren Eichenholzschreibtisch des Oval Office, mit Familienfotos im Hintergrund. Ein Abschied nach vier Jahren Präsidentschaft und einem halben Jahrhundert in der Politik, den Biden für eine letzte eindringliche Mahnung nutzte.

In den vergangenen Jahren hatte der Präsident vor allem vor Donald Trumps Angriffen auf die amerikanische Demokratie gewarnt. In seiner letzten Rede bezog er sich jedoch auch auf das Umfeld des künftigen Präsidenten – und zeichnete ein ungewohnt düsteres Bild der Lage.

Es bereite ihm große Sorge, dass die Macht zunehmend in den Händen „einiger weniger ultrareicher“ Personen liege, sagte Biden, nachdem er in der ersten Hälfte der Ansprache seine politischen Errungenschaften hervorgehoben hatte. „Dieser Tage entwickelt sich eine Oligarchie in Amerika, mit extremem Reichtum, Macht und Einfluss.“ Das bedrohe die Demokratie, die Grundrechte der Amerikaner und die „faire Chance für jeden, voranzukommen“.

„Echte Gefahr für die Vereinigten Staaten“

Biden fuhr fort, der „mögliche Aufstieg eines technisch-industriellen Komplexes“ könne eine „echte Gefahr“ für die Vereinigten Staaten darstellen. Die Bürger würden unter einer „Lawine von Desinformation“ begraben, die Machtmissbrauch begünstige. Trumps enger Vertrauter Elon Musk, der reichste Mann der Welt, hatte sich in den vergangenen Wochen jeden Tag in innen- und außenpolitische Belange eingemischt und über seine Plattform X Desinformationen verbreitet. Biden nannte jedoch keinen der beiden Namen in seiner Rede.

Am konkretesten wurde der Präsident, als er kritisierte, soziale Medien hätten „den Faktencheck aufgegeben“. Meta-Chef Mark Zuckerberg hatte jüngst angekündigt, den Faktencheck auf seinen Plattformen wie Facebook in den Vereinigten Staaten künftig einzustellen. Das wurde als Versuch gesehen, sich dem künftigen Präsidenten Trump anzunähern, dessen Umfeld derlei Kontrollmechanismen häufig als „Zensur“ bezeichnet.

Biden sagte dazu, die Wahrheit würde „von Lügen unterdrückt, die aus Macht- und Profitgründen verbreitet werden“. Soziale Medien müssten zur Verantwortung gezogen werden, um Kinder, Familien „und unsere Demokratie selbst“ vor Machtmissbrauch zu schützen. Zuckerberg, Musk sowie der Amazon-Gründer Jeff Bezos – laut Forbes die drei reichsten Amerikaner mit Vermögen von mehr als 180 Milliarden Dollar – werden laut Medienberichten an der Amtseinführung Trumps am kommenden Montag teilnehmen.

Amtszeitbegrenzung für Oberste Richter

Auf Trump nahm Biden Bezug, als er in seiner Ansprache sagte, man müsse die Verfassung dahingehend ändern, dass kein Präsident „immun ist gegen Verbrechen, die er in seiner Amtszeit begeht“. Die Macht des Amtes sei nicht unendlich, nicht absolut und solle es auch nicht sein. Außerdem forderte Biden, der lange Zeit ein Institutionalist war, eine Amtszeitbegrenzung von 18 Jahren für den Obersten Gerichtshof und ein Verbot für Kongressmitglieder, mit Aktien zu handeln. Es sei an der Zeit für Veränderungen, die Teilhabe an der amerikanischen Demokratie werde „anstrengend und sogar desillusionierend“.

Dabei sei allein in den Vereinigten Staaten „alles möglich“, sagte Biden. Ein Satz, den der Zweiundachtzigjährige in den vergangenen Jahren oft wiederholt hat, und der am Mittwoch ein versöhnliches Ende seiner ohne größere Stolperer abgegangenen Abschiedsrede einleiten sollte. Er glaube auch nach fünfzig Jahren in der Politik noch an die amerikanische Idee, „eine Nation, in der die Stärken unserer Institutionen und der Charakter unserer Leute Bestand haben müssen“. Jetzt sei es an den Amerikanern, Wache zu halten.

Wem gebührt Lob für den Deal in Israel?

Wenige Stunden vor seiner letzten Rede im Oval Office konnte Biden noch einen außenpolitischen Erfolg seiner Amtszeit bekanntgeben: die Vereinbarung auf eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas. Doch auch hier spielte Trump eine Rolle. In einer kurzen Stellungnahme am Nachmittag hatte Biden sich geweigert, seinem Nachfolger auch nur einen Teil des Verdiensts zuzuerkennen, auch wenn nach Medienberichten Beamte der alten und neuen Regierung an den letzten Verhandlungen beteiligt waren.

Biden äußerte, man habe sich „eng“ mit der neuen Administration abgestimmt, denn die müsse die Vereinbarung künftig ja auch verwalten. Doch auf die Frage einer Journalistin am Nachmittag, wem die Anerkennung für die Vereinbarung gebühre, Biden oder Trump, antwortete er trocken: „Ist das ein Witz?“

Trump freilich schrieb sich den Erfolg am Mittwoch schon auf die Fahnen, als sich das Weiße Haus noch gar nicht geäußert hatte. Auf „Truth Social“ äußerte er, die „epische“ Vereinbarung habe nur nach seinem Wahlsieg zustandekommen können. Er habe „der ganzen Welt“ zu verstehen gegeben, dass seine Regierung nach Frieden und Sicherheit für alle Amerikaner strebe. Man habe „schon so viel erreicht, dabei sind wir noch gar nicht im Weißen Haus“, schrieb Trump weiter. Er hatte angekündigt, im Nahen Osten werde „die Hölle losbrechen“, sollte die Hamas die Geiseln nicht bis zu seinem Amtsantritt am kommenden Montag freilassen.

Biden hob in seiner Darstellung hervor, die Vereinbarung entspreche größtenteils einem Entwurf seiner Regierung aus dem Mai vergangenen Jahres. Der Sender CNN zitierte einen ranghohen Regierungsbeamten jedoch mit den Worten, die Zusammenarbeit der beiden Präsidenten in dieser Sache sei „beinahe beispiellos“ gewesen. Ein äußert seltener Schulterschluss zweier politischer Rivalen.

Bidens Nahostkoordinator Brett McGurk hatte sich wochenlang in Qatar aufgehalten, um eine endgültige Einigung voranzutreiben. Auf die letzten Meter dann stieß Trumps künftiger Nahostgesandter Steve Witkoff dazu, der sich am Samstag mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu getroffen und McGurk telefonisch dazu geschaltet hatte. Israelische Medien berichten am Mittwoch unter Berufung auf arabische Beamte, dieses Treffen sei der „Durchbruch“ gewesen. So dürften sich beide Männer den Erfolg selbst zuschreiben, Biden zum Ende und Trump noch vor Beginn seiner Amtszeit.