Was ein neues Dach bedeutet

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Malibu ist abgebrannt, Beverly Hills auch. Gegenden, in denen bisher die Villen der Reichen und Schönen standen, sind Schutt und Asche. Vielleicht deshalb beherrschen die Brände, die seit Tagen rund um Los Angeles wüten, die Schlagzeilen. Aber auch wenn die aktuellen Brände zu den größten in der Geschichte von Kalifornien gehören, häufiger treffen Waldbrände in dem US-Bundesstaat allerdings auf Orte, für die sich nur wenige interessieren: Dort leben diejenigen, die den Swimmingpool nicht besitzen, sondern nur sauber machen. Über die Jahre gesehen, sind die Schäden in ärmeren Vierteln größer, und die Bewohner leiden stärker unter dem Rauch. Über die Hälfte der durch Waldbrände in Kalifornien zerstörten Häuser stand in Gemeinden, in denen die untersten Einkommensschichten wohnen. In den Vierteln der obersten Einkommensschichten wurde weniger als ein Drittel zerstört.

Diese Zusammenhänge haben Sebastian Reining und Kollegen vom Climate Action Research Lab der Universität Freiburg und der Universität Stanford untersucht und kürzlich in „Nature Communications“ veröffentlicht. Die Wirtschaftsinformatiker und Umweltwissenschaftler haben Daten der Jahre 2013 bis 2021 ausgewertet, und zwar aus 16 Landkreisen (Counties) des US-Bundesstaates, dort stehen insgesamt 2,9 Millionen Gebäude.

Vom Normalfall zur Katastrophe

„Im Westen der USA brennt es jedes Jahr“, sagt Reining. Feuer ist dort Teil der Natur. Manche Ökosysteme brauchen Brände, um sich zu erneuern, und einige Pflanzenarten vermehren sich nur, wenn es gelegentlich brennt. Doch das Ausmaß hat sich verändert: 13 der 20 zerstörerischsten Feuer in Kalifornien loderten seit 2017. 90 Prozent der Waldbrände dort sind auf den Menschen zurückzuführen, etwa auf die oberirdischen Stromleitungen. Aber die Kraft, mit der sich Brände ausbreiten, nimmt mit der Klimaerwärmung zu. Die Hochrechnungen der Forscher zeigen: Ein um fast ein Drittel höheres Risiko, dass Häuser in den nächsten 30 Jahren durch Waldbrände zerstört werden, haben Gemeinden oder Stadtteile, in denen benachteiligte Menschen wohnen. Zu Benachteiligungen zählt die US-Regierung nicht nur ein geringes Einkommen, sondern auch die Zugehörigkeit zu einer Minderheit, geringes Bildungsniveau oder Belastung durch Umweltverschmutzung.

Made with Flourish

Um sich vor Waldbränden, die auf Siedlungen übergreifen, zu schützen, können Hausbesitzer eine Reihe von Maßnahmen treffen: Sie können den Bewuchs mit Büschen eindämmen, keine brennbaren Gegenstände am Haus lagern, keinen Gastank direkt am Haus installieren sowie feuerfeste Zäune und Baumaterialien einsetzen. Besonders effektiv ist es, wenn das Dach aus nicht brennbaren Materialien besteht, etwa aus Ziegeln oder Metall. „Die Feuer sind von starken Winden getrieben, die Funken fliegen sehr weit“, erläutert Reining. Sehr viele Funken landen dann auf Dächern. „Dadurch fangen Häuser an zu brennen, die bis zu 2000 Meter von der eigentlichen Flammenfront entfernt sind.“

Sicherheit kostet

Hausbesitzer erneuern in den ersten drei Jahren nach einer Brandkatastrophe ihre Dächer, wenn im Umkreis Häuser zerstört wurden: Insgesamt um zwölf Prozent nehmen die Dachsanierungen zu. Seit dem Jahr 2008 hat der Bundesstaat Kalifornien die landesweit strengsten Bauvorschriften, was den Brandschutz betrifft. Das macht die Erneuerung von Dächern allerdings auch besonders teuer. Wenig überraschend werden in den wohlhabenden Gegenden fast ein Drittel mehr Dächer neu gedeckt als in den ärmeren Gemeinden oder Stadtteilen.

Es würde sich auszahlen, einkommensschwächere Gruppen finanziell zu unterstützen, damit sie ihre Häuser feuerfest machen können. Denn ein brennendes Dach kann zehn weitere Häuser entzünden und somit zur Ausbreitung des Feuers beitragen, wie eine Fallstudie aus dem Jahr 2000 gezeigt hat. Umgekehrt gilt also: „Ein Haus mit einem feuerfesten Dach schützt auch die Nachbarhäuser“, sagt er. „Die Stärke dieses Effekts hat uns überrascht.“

Gute Nachbarschaft kann etwas bewegen

Das Forscherteam hat auch weniger teure Maßnahmen als die Dachsanierung in den kalifornischen Risikogebieten analysiert. So können Nachbarn sich zu sogenannten Firewise Communities zusammenschließen. Diese Communities kümmern sich dann ehrenamtlich und gemeinsam um Dinge wie das Vegetationsmanagement, schneiden also die Büsche und sorgen dafür, dass Bäume weit genug von Häusern entfernt stehen. Wenn die Pflanzen oder Pflanzenreste brennen, greift das Feuer dann nicht auf die Häuser über.

„Das kostet erst mal nichts, nur Zeit“, sagt Sebastian Reining. Trotzdem gebe es in den sozial benachteiligten Gebieten weniger von diesen Firewise Communities. „Wenn diese in armen Regionen aber erst mal etabliert sind, sehen wir keine Unterschiede im Engagement der Nachbarschaften.“ In allen Regionen arbeiten sie gleich viele Stunden für den Brandschutz, und die Communities existieren in armen und reichen Wohngegenden etwa gleich lang. „Die Leute in den sozial benachteiligten Gemeinden sind also nicht weniger motiviert“, sagt Reining, und es lohne sich, die Hausbesitzer entsprechend zu schulen.

In Deutschland sind in den kommenden Jahren keine so verheerenden Waldbrände wie in Kalifornien zu erwarten. Häuser in Deutschland sind häufiger aus Stein oder Beton als aus Holz, es ist weniger heiß und trocken als im Südwesten der USA, und die Städte und Dörfer sind oft kompakter und fransen weniger ins Umland und in die Wälder aus.

Trotzdem fragen sich die Forscher, was sie aus ihren Ergebnissen auf andere Weltgegenden übertragen können. Denn auch hierzulande steigt das Risiko für Waldbrände, und Vorsorge gehört mit zur Anpassung an ein heißer werdendes Klima. Daher gibt es die Diskussion auch hier: Wo können Menschen bei steigenden Risiken durch den Klimawandel noch wohnen? Wer kommt für Schäden an Gebäuden durch Katastrophen wie Waldbrände oder Hochwasser auf, und wie sind sie zu versichern?

Das Climate Action Research Lab der Universität Freiburg entwickelt gerade in einem EU-Projekt mit der Region Leipzig Lösungsansätze für die Klimaanpassung. Waldbrandvorsorge gehört zu den Kernthemen des Projekts, damit sich Städte und Gemeinden möglichst gut auf großflächige Brände vorbereiten können.