Elon Musks „Starship” explodiert über der Karibik

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Bittersüße Erfahrungen machten die Tech-Milliardäre Elon Musk und Jeff Bezos am Donnerstag beide. Nachdem die neue Rakete „New Glenn“ von Besoz’ Unternehmen Blue Origin am Donnerstagmorgen einen Jungfernflug absovierte, auf dem die Oberstufe alle Testziele erreichte, die kontrollierten Landung der Unterstufe aber scheiterte, erging es seinem Konkurrenten Musk mit dem „Starship“ seiner Firma SpaceX am späten Abend genau umgekehrt: Der siebte Test dieser größten jemals gebauten Rakete wiederholte den Erfolg vom Oktober vergangenen Jahres, insofern es zum zweiten Mal gelang, die Unterstufe – den „Superheavy Booster“ – zur Startrampe zurückzuschicken und dort aufzufangen. Die verbesserte Oberstufe allerdings ging verloren.

Dabei sah es nach mehreren Startverschiebungen in den Tagen zuvor zunächst nach einem Bilderbuchstart aus. Um 16.37 Uhr Ortszeit zündeten die 33 Triebwerke der Unterstufe auf dem Startplatz in Boca Chica am Südzipfel von Texas – in Mitteleuropa war es fast schon Mitternacht. Nach zweieinhalb Minuten erfolgte die Trennung der beiden Stufen planmäßig und die Aufmerksamkeit der Beobachter vor Ort sowie die der Livestreams in aller Welt richtete sich zunächst ganz auf das Landemanöver der Unterstufe.

Sanftes Schweben in die Arme der Mechazilla

Beim fünften Test am 13. Oktober 2024 war das Auffangen des 71 Meter hohen und 275 Tonnen schweren Edelstahlzylinders zum ersten Mal versucht worden und hatte für spektakuläre Bilder erzeugt – sowie hohe Hoffnungen für einen raschen Fortschritt hin zu einer einsatzbereiten vollständig wiederverwendbaren Schwerlastrakete, durch welche sich die Transportkosten von Material – und später auch Menschen – ins All drastisch würden reduzieren lassen.   

Und tatsächlich. Anders als beim sechsten Test am 19. November 2024, als der Booster wegen Problemen am Startturm im Golf von Mexiko versenkt werden musste, funktionierte das Auffangen durch die „Mechazilla“ genannte Paar stählerner Arme reibungslos. Sieben Minuten nach dem Start hing eine augenscheinlich völlig unversehrte Unterstufe in den Fängen der Mechazilla und ließ planmäßig die Treibstoffreste ab.

Als sich die Kommentatoren des von SpaceX übertragenen Livestreams nach diesem Erfolg dann der Oberstufe zuwandten, gab es von dieser aber weder aktuelle Messwerte noch irgendwelche Bilder der dreißig an Bord verbauten Kameras. Wie später klar wurde, zeigten die Telemetriedaten, dass sich die Triebwerke der Oberstufe sieben Minuten und 40 Sekunden nach dem Start abgeschaltet hatten – mehr als eine Minute zu früh. 47 Sekunden später fror der Datenstrom ein.

Noch bevor die SpaceX-Kommentatoren ihren Zuschauern mehr sagen konnten, als dass sie nicht wüssten, was los war, machten in den Sozialen Medien die ersten Smartphone-Bilder die Runde: An Orten wie den Turks and Caicos Islands in der Karibik westlich von Kuba zeigten sie einen Himmel voller glühender Trümmerschwärme. Bald war sicher, dass es sich bei dem Feuerwerk nur um die in Hunderte von Einzelteilen zerbrochene Starship-Oberstufe handeln konnte. Keine zehn Minuten später teilte auch SpaceX-Gründer Elon Musk auf seiner Plattform X solch ein Bild, versehen mit dem Kommentar „Erfolg ist unsicher, aber Unterhaltung ist garantiert“.

Wird Starship nun so bald wieder fliegen?

Nicht jeder fühlte sich indes unterhalten. Medienberichten zufolge schickte die amerikanische Luftaufsichtsbehörde FAA umgehend eine Direktive an die Flughäfen der Region, darunter denen von Miami und Fort Lauderdale: Man möge doch bitte Flüge umleiten, um herabfallenden Trümmern auszuweichen. Etwa eine Stunde später allerdings gab die FAA wieder Entwarnung. Tatsächlich wurden bislang keine Sach- oder Personenschäden durch herabgefallene Wrackteile bekannt. Wie bei Raketenstarts üblich war vorab eine Sperrzone entlang der Flugbahn ausgewiesen worden.

Wie im Traum: Das zweite gelungene Einfangmanöver der Starship-Unterstufe
Wie im Traum: Das zweite gelungene Einfangmanöver der Starship-Unterstufedpa

Die Frage ist allerdings, wie sich die Havarie auf den Zeitplan für die nächsten Testflüge der Superrakete auswirkt. Erst kürzlich hatte SpaceX bei der FAA beantragt, künftig von Boca Chica nicht mehr, wie bislang, bis zu fünf Starts im Jahr durchführen zu dürfen, sondern 25. Die Behörde hat zudem bereits weitere Tests mit der aktuellen Starship-Konfiguration erlaubt, für die SpaceX daher keine gesonderten Genehmigungen mehr einholen muss. Nachdem die Explosion der Oberstufe nun aber einen ganzen Schwarm potentiell gefährlicher Trümmern verursacht hat, könnte die FFA die Erlaubnis für weitere Teststarts so lange verweigern, bis die Ursachen der Havarie im Detail untersucht sind und ein Bericht darüber vorgelegt wurde.

Waren die technischen Änderungen schuld?

Bei der Ursachenfrage liegt zunächst nahe, den Vorfall mit einer der zahlreichen Modifikationen in Verbindung zu bringen, die nach dem vorangegangenen sechsten Testflug an der Oberstufe vorgenommen worden waren. Im Grunde handelt es sich beim „Block 2“, wie die neue Version der Oberstufe auch genannt wird, um ein veritables Re-Design: Die Rakete war mit einer Höhe von 124,4 Metern über alles etwas über drei Meter länger als die im November geflogene und führte über 25 Prozent mehr Treibstoff mit sich.

Des Weiteren saßen die verkleinerten Leitklappen an der Spitze saßen nun etwas weiter oberhalb der mit Hitzeschutzkacheln verkleideten Seite. Die Treibstoffzuleitungen wurden aufgerüstet, um das Entweichen verdampfenden Treibstoffes zu verhindern, die Eintrittsseite mit einer neue Generation von Hitzeschutzkacheln verkleidet und manche dieser Kacheln durch experimentelle Metallkacheln ersetzt, die teilweise aktiv gekühlt werden können. Zudem wurde die Flugelektronik rundumüberholt und ein leistungsfähigerer Bordcomputer verbaut.

Trotz dieser vielen Modifikationen und der damit möglicherweise neu entstandenen Fehlerquellen gibt es bei SpaceX bereits erste Vermutungen, wie es zu der Explosion des Staships gekommen sein könnte.

„Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass wir ein Sauerstoff- und Treibstoffleck im Hohlraum über der Motortrennwand des Starship hatten, das groß genug war, um einen Druck aufzubauen, der die Entlüftungskapazität überstieg“, schrieb Elon Musk etwa anderthalb Stunden nach dem Vorfall auf X. „Abgesehen davon, dass wir nun natürlich doppelt auf Lecks prüfen, werden wir in diesem Bereich eine Brandunterdrückung installieren und wahrscheinlich die Entlüftungsfläche vergrößern. Bisher deutet nichts darauf hin, dass wir den nächsten Start über den nächsten Monat hinaus verschieben müssen.“