Er hat es mit Onlineportalen für Cannabisrezepte und Krankschreibungen zum Millionär gebracht, die sich Grauzonen in der Regulierung zunutze machen und von vielen Arbeitgebern als Teufelswerk oder zumindest als verantwortungsloser Angriff auf die Solidargemeinschaft empfunden werden. Als künftigen Reformator des Gesundheitssystems sehe er sich nicht, ließ Ansay wissen. Dafür fühle er sich nicht kompetent genug. Was die Digitalisierung angehe, verspüre er dagegen durchaus Gestaltungsdrang.
Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Danach nahmen die Dinge ihren Lauf. Ob das Interview den Ausschlag gab, lässt sich schwer nachprüfen. Sicher ist, dass Ansay kurz darauf eine Partei gegründet hat. Und dass der Bundeswahlausschuss diese Neugründung nun sogar für die Bundestagswahl am 23. Februar anerkannt hat. Als „DrA“ darf sie zusammen mit 41 weiteren Parteien auf den Wahlzetteln stehen. Damit wächst die kleine Gruppe von Parteigründern, die ihren eigenen Namen für kampagnenfähig halten. Neben Jürgen Todenhöfer (ehemals CDU, seit 2020 „Team Todenhöfer“) und Sahra Wagenknecht (ehemals SED, PDS und Linke, seit 2024 „Bündnis Sahra Wagenknecht“) gehört nun auch Can Ansay dazu.
„Radikal geradeaus für mehr Wohlstand“
Can Ansay selbst, 47 Jahre alt und vor einiger Zeit nach Zypern ausgewandert, will sich in seiner alten Heimat Hamburg um ein Direktmandat bewerben. Bis Montag, das ist die letzte formale Hürde für die neue Partei, müssen die nötigen Unterstützungsunterschriften dafür vorliegen.
Das Parteiprogramm ist übersichtlich und exotisch zugleich. Ansay wirbt für eine Volks-App für mehr direkte Demokratie, für den Einsatz einer staatlichen KI in der Verwaltung, für die Zusammenlegung der Krankenkassen sowie für ein Effizienz- und Sparsamkeitsministerium nach dem Vorbild der neuen Elon-Musk-Behörde in den USA, außerdem für Pflegeheime am Mittelmeer, für zusätzliche Wählerstimmen für die Eltern minderjähriger Kinder – und dafür, von China eine Wiedergutmachung für die Schäden der Corona-Pandemie zu verlangen. Das alles soll Deutschlands Wohlstand unterm Strich um 100 Milliarden Euro mehren. Wie es im Einzelnen funktionieren soll, bleibt einstweilen weitgehend offen.
„Ich habe als Unternehmer gezeigt, dass ich überraschend einfache Lösungen für große Probleme finden kann“, sagt Ansay nun am Telefon. „Genauso will ich es auch als Politiker tun. Mir geht es darum, mit möglichst geringem Aufwand möglichst viele Menschen glücklich zu machen.“
„Nur wir retten Deuçland“
Als „radikal geradeaus für mehr Wohlstand“ beschreibt Ansay seine politische Ausrichtung. Er beteuert, es sehr ernst damit zu meinen, beruft sich sogar für seine Wahlkampagne auf wissenschaftliche Erkenntnisse; die Fünf-Prozent-Hürde gleich beim ersten Anlauf zu überspringen, sei ein realistisches Ziel für die neue Partei.
Solche Ansagen stellen freilich das satirische Talent unter den Scheffel, das in Ansays Auftritt als Politiker aufblitzt. So hat er sich seine cannabisfreundliche Devise „Make Weed Great Again“ auf eine klassisch rote Donald-Trump-Gedächtnis-Schirmmütze drucken lassen, und der Slogan „Nur wir retten Deuçland“ ist ein durchaus gelungener türkisch-deutscher Kalauer.
Von seiner unternehmerischen und politischen Seriosität mag man halten, was man will; unterhaltsam ist Ansay – und wie ein Vollblutentertainer ist er sich für nichts zu schade. Das Wahlkampfvideo zeigt ihn an der palmenbestandenen Küste Zyperns in Slippern, Jogginghosen und grauer Fliegerlederjacke. Er rennt und singt, Billy Joels Pop-Klassiker „We Didn’t Start the Fire“ liefert die Vorlage. Der Aufnäher auf der Jacke ist ambitioniert. „President“ steht da. Dabei wird doch bloß der Bundestag gewählt.