Oxfam-Studie: Milliardäre am Pranger

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Die Hilfsorganisation Oxfam macht mit neuen Zahlen zum wachsenden Reichtum der Milliardäre Stimmung für eine stärker umverteilende Steuerpolitik. „Weltweit ist im Jahr 2024 das Gesamtvermögen der Milliardäre um zwei Billionen Dollar gestiegen“, heißt es in ihrer Analyse – dort durchgängig mit Genderstern. Das Vermögen eines Milliardärs habe sich im Durchschnitt um zwei Millionen Dollar jeden Tag erhöht. Bei den zehn Reichsten seien es sogar 100 Millionen Dollar täglich gewesen. „Selbst wenn diese zehn Milliardäre über Nacht 99 Prozent ihres Vermögens verlieren würden, blieben sie Milliardäre.“

Dem Bericht zufolge kamen vergangenes Jahr 204 neue Milliardäre hinzu. Unter Bezug auf die Forbes-Reichenliste wird ihre Gesamtzahl auf zuletzt 2769 beziffert. In Deutschland gibt es demnach nunmehr 130 Milliardäre (neun mehr als 2023), die ihr Gesamtvermögen binnen Jahresfrist um 26,8 Milliarden Dollar gesteigert haben sollen. „Deutschland hat damit nach den USA, China und Indien die meisten Milliardäre“, wenn auch wohl mit großem Abstand zu den ersten drei Ländern.

Oxfam vergleicht die vierstellige Zahl von Milliardären mit fast 3,6 Milliarden Menschen, die unter der erweiterten Armutsgrenze der Weltbank von 6,85 Dollar am Tag leben müssten. Weltweit hungerten 733 Millionen Menschen – etwa 152 Millionen mehr als 2019. Die Hilfsorganisation beruft sich auf die Weltbank, nach deren Schätzung es mehr als ein Jahrhundert dauern werde, die Armut zu überwinden, falls es nicht mehr Wirtschaftswachstum geben sollte oder die Ungleichheit abnehme. Viele Länder seien durch Schulden gelähmt und hätten nicht die Mittel, um Armut und Ungleichheit zu reduzieren, heißt es weiter.

Macht der Milliardäre als Bedrohung für Demokratie?

Diese Darstellung blendet die Entwicklung in China aus. Mit dem kapitalistischen Kurs unter der Kommunistischen Partei hat sich das Land enorm entwickelt, die Zahl der Armen sank, und die Zahl extrem Reicher stieg. Gleichzeitig sind die Vereinigten Staaten mit oder trotz großer Ungleichheit das Sehnsuchtsziel vieler Migranten auf der Suche nach einem besseren Leben. Andersherum zeigt das Beispiel Kuba, dass die Einschränkung der wirtschaftlichen und politischen Freiheit im Dienst der Gleichheit nicht im Kampf gegen verbreitete Armut hilft.

Bei der latenten Schuldenkrise, die vor allem die am wenigsten entwickelten Länder bedroht, spielt die großzügige Kreditpolitik Chinas eine unrühmliche Rolle – mit der die Regierung in Peking ihren Einfluss in der Welt ausbauen will. Westliche Geber haben sich nach den schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit mit neuen Krediten an arme Länder zurückgehalten. Die Hilfsorganisation ignoriert das weitgehend. In ihrem internationalen Report thematisiert sie dafür die Ausbeutung Afrikas durch Großbritannien und Frankreich zwischen den Jahren 1825 und 1947, aber auch die Hilfen für die Sklavenhalter zum Ausgleich für den Verlust ihres „Eigentums“.

Die Macht der Milliardäre bedroht nach Einschätzung der Hilfsorganisation die Demokratie. Ohne den Tech-Milliardär Elon Musk beim Namen zu nennen, der den alten und neuen Präsidenten Donald Trump mit enormen Summen im Wahlkampf unterstützt hat und der nun oberster Verwaltungsneuordner der Regierung werden soll, warnt sie vor dem Einfluss, der mit der Beteiligung an Konzernen verbunden ist. Auch in Deutschland fänden die Superreichen mehr Gehör in der Politik. Konkret werden in diesem Zusammenhang der Verband „Die Familienunternehmer“ und die „Stiftung Familienunternehmen und Politik“ genannt. Sie hätten bei den Steuerreformen eine große Rolle gespielt, mit denen große Vermögen und Einkommen aus diesen entlastet worden seien.

Was Oxfam großzügig ausblendet

Doch in Deutschland verfügen auch die Gewerkschaften über gute Kanäle in die Politik, nicht zuletzt stoßen ihre Positionen bei den Sozialdemokraten regelmäßig auf viel Sympathie. Seit 1998 ist die SPD mit Ausnahme einer Legislaturperiode durchgängig an allen Regierungen beteiligt gewesen. Doch das blendet Oxfam großzügig aus. Stattdessen beklagt der Verein eine Verschiebung der Steuerlast. Plakativ heißt es: „Auch Deutschland ist mittlerweile ein Hochsteuerland für Menschen, die für ihr Geld arbeiten, aber ein Niedrigsteuerland für Superreiche, die ihr Geld für sich arbeiten lassen.“

Die Abgabenlast für eine Familie aus der Mittelschicht wird auf 43 Prozent beziffert, also Steuern plus Sozialabgaben. Letztere haben jedoch eine andere Funktion als Steuern, mit diesen werden Ansprüche erworben, etwa auf eine Rente im Alter, auf Unterstützung bei Arbeitslosigkeit, Hilfe bei Krankheit, Leistungen im Pflegefall. Diesen Mittelschichtfamilien werden Multimillionäre und Milliardäre gegenübergestellt, die „oft nur zwischen 25 und 30 Prozent“ Steuern zahlten. Der Reichensteuersatz in der Einkommensteuer beträgt hierzulande (von 277.826 Euro an) 45 Prozent, außerdem zahlt diese Gruppe stets Solidaritätszuschlag, sodass man hier auf eine Gesamtbelastung von 47,5 Prozent kommt (ohne Kirchensteuer).

Bei Unternehmensbeteiligungen werden Gewinne in Deutschland in zwei Stufen belastet: Erst auf der Ebene der Kapitalgesellschaft (mit etwa 30 Prozent), dann bei Ausschüttung auf der Ebene der Gesellschafter (25 Prozent plus Soli auf den überwiesenen Betrag, das sind – bezogen auf den ursprünglichen Gewinn – 18,48 Prozent). Insgesamt beträgt die Belastung damit fast 48,5 Prozent. Dieses Ergebnis relativiert Oxfam mit dem Hinweis, dass die zweite Besteuerungsstufe vermieden werden könne, wenn Anteile von einer vermögensverwaltenden Gesellschaft gehalten würden. Doch das geht nur, solange das Geld nicht in die Privatsphäre gelangt. Dann schlägt die zweite Steuerstufe spätestens zu.